tagebuch-juli-2001
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02.07.2001

"Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist.
Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Soz
ialdemokrat.
Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich nic
ht protestiert; ich war ja kein Gewerkschafter.
Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestierte."
(Pastor Martin Niemöller, von 1938-45 in KZ-Haft)

 

Der Mensch


Was sind schon Taten?
Wenn unser Tun nicht dem Schaffen unsere Ahnen gleicht?
Wir bauen auf die hochgepriesene Technik,
vergessen ganz und gar des Lebens Einfachheit.

Sind besonnen auf Güter,
Geldbenetzter Existenz.
Versoffen und malträtiert sind unsere Sinne.
Bannen Welten zu Staub,
machen dem Leben keinen Kompromiss.

Leben für Zerstörung,
des Menschen höchster Hochgenuß.
Ist schade was aus uns geworden,
waren einst doch so besonnen.

Waren Tier und Natur harmonisch gesonnen,
und jetzt marschieren durch einstige Wälder,
riesige Baufahrzeugkolonnen.
Ist alles ,was dem Menschen noch von Bedeutung einzig und allein,
der materielle Wert.

Was Geld uns alles zu schaffen vermag und zu welch
Dunklen Dämonen es uns werden läßt.
Haß und Zerstörung ist das Rezept zur Selbstzerstörung.
Nur das eigene Wohlbefinden zählt, das Kollektiv ist es,
was uns in dieser heutigen Zeit zu nichts weiter als
herumirrende Marionetten werden läßt.


Die Liebe ist verdorrt am felsigen Stein des Hasses.
Nichts kann Liebe für uns Materialisten geltend machen,
hat nichts an Menschlichkeit in unseren modrigen Körpern überlebt.
Emotionen abgestumpft und vergewaltigt.
Dem Leben wird kein Wert, kein Respekt mehr zu getan.

Ist es diese Ignoranz und tiefsitzende Arroganz,
die uns werden läßt zu Monstern.
Was sollen wir mit Natur?
Was sollen wir mit Vernunft und Besonnenheit.
Führt uns nichts davon zur materiellen Glückseligkeit.


Ich schäme mich dafür ein Mensch zu sein.
Denn wär ich ein Tier,
dann wär ich rein.
Wäre gern ein Adler.
Dann wär ich frei, frei wie der Wind.
Und könnte flüchten,
durch das Tor aus Raum und Zeit.

Flöge weg von all dem Übel und dem ganzen Dreck.
Wäre ein Wesen von Ehre und Vernunft.
Wäre eins mit der Erde,
eins mit der Liebe und eins mit dem Glück.


Bin nur noch wenigen Menschen zu getan,
kanzle mich ab von diesem Leben.
Ich will doch nur nach innerer Ruhe und Erfüllung streben.
Ich weiß ich bin noch jung an Jahren,
doch ich weiß jetzt schon,
dass ich dieses Leben nicht mehr kann ertragen.


Ich werde einst am Fenster stehen und das Ende kommen sehen.
Es wird die Menschen von diesem heiligen Ort vertilgen.
Und die Erde kann wieder atmen.
Hoffe nur, dass der Mensch keine zweite Chance mehr erhält.
Denn er hat alles vertan.

Hat sich überschätz,
an Weisheit und Intelligenz.
Ist verendet an der Zeiten Härte Konsequenz.
Bin froh das es zu Ende ist.

Nun ruhe Erde und fange an zu leben,
denn der Mensch ist nicht mehr da um nach deiner Vernichtung zu streben.

DER GLÜCKLICHE AUS NORF 

Okay, Carlos, weil du es bist ... aber, na ja, alles Weitere mündlich ... 

03.07.2001

 

Was ist eigentlich los in der Schweiz, außer Wilhelm Tell, Ulrich Bräker, Pestalozzi, Rousseau, Nazi – Gold und Banken? Keiner von uns konnte irgend einen Namen irgend eines Schweizer Politikers der Nachkriegszeit nennen!

Also, was ist los in der Schweiz?

 

Auch konnten wir den Namen „Jackpot“ nicht erklären, trotz Assistenz einiger gymnasialer Englisch – Lehrer. Bustras Erklärung misstrauen wir („Benannt nach Jack, dem ersten, der den Pott gewonnen hat ...“). Wer kann den Namen erklären?

 

Wir wissen, dass das Fragen sind, die wir in ein leeres, stummes Universum senden, was uns der Blick auf die Gästeseite und die Benutzer – Zahlen bestätigt – trotzdem, wie Nietzsche schon sagte:

„Alles Große geschieht trotzdem!“

 

Dem gestrigen SPIEGEL entnehmen wir eine beruhigende Nachricht für alle Ärzte:

 

Es gibt keine gesunden Patienten – nur schlecht untersuchte.“

 

Das wusste aber schon Hajos Opa, der immer zu sagen pflegte: “Wenn du gesund bleiben willst, geh nicht zum Arzt.“ Also sprach er und verstarb im 86. Lebensjahr nachts im Schlaf: er hat sozusagen seinen Schlaf verpennt, was wir schön finden.

 

Abends war Nico hier, der griechische Freund von Dunja und Künstler – Thomas. Er kommt jedes Jahr extra um diese Zeit, damit er hier seine Pollen – Allergie richtig ausleben kann. Das nennen wir einen überzeugenden Grund für eine rotäugig – triefnasige Reise. Morgen fliegt er wieder zurück nach Griechenland – eben weil der Pollenflug hier nachlässt ...

 

Gestern war wieder so ein Trottel in der Apotheke gegenüber und wollte eine Flugreise nach Warschau buchen – eben weil er im Schaufenster das Wort „Pollenflug“ in einer Medikamentenwerbung gelesen hatte.

04.07.2001

 

Computer – Thomas fragt sich, was er tun soll. Was sollen wir tun? Ihn etwa für verliebt halten ... ?

 

Verdammt heiß und schwül heute (über 30 Grad in den Häuserschluchten von Flingern), die Frauen wippen leicht bekleidet vorbei, aber hier in Flingern folgen auf jede sexy Süße drei grottenhässlich verfettete Proll – Weiber mit Damenbart, so dass wir leider ernüchtert bleiben.

 

Bustra hat das gestrige Vater – sucht – Sohn – Spiel nervlich gut überstanden.

 

Hajo hat heute Zeugnisse verteilt und Ferien, meinen die Einen, „unterrichtsfreie Arbeitszeit“, betont er ... Seine Abiturientinnen (Julia, Sarah, die andere Julia) haben ihm die bebilderte Kafka – Biographie von Klaus Wagenbach geschenkt – ein intelligentes Geschenk, über das er sich sehr gefreut hat und das Bustra gleich mittags durchgeblättert hat.

 

An der Decke surrt der Ventilator, aus der Box dröhnt „What a day“ von Ray Charles. Wir haben die Tür zum Hinterhof geöffnet, um ein wenig Durchzug zu bekommen. Aber kein Lüftchen regt sich. Nur Schneider – Sigi geht zum Klo. Er hat endlich das Jackett von Künstler – Thomas geändert, das Revers modernisiert.

 

Vorne links am großen runden Tisch sitzt Stasi – Wolfgang und notiert alles, was er hört und sieht, im Kopf. Wofür nur ... ? Vielleicht ist er ja wie einer dieser Japaner auf irgendeiner Pazifik – Insel, die das Kriegsende nicht mitbekommen haben. Vielleicht sollten wir ihm irgendwann einmal sagen, dass es die STASI längst nicht mehr gibt, wenigstens als offiziell existierende Behörde.

Aber wir lassen ihn einfach weitermachen.

 

05.07.2001

 

Wieder sehr warm. Die Mülltonne im Hinterhof stinkt. Reifenabrieb auf der Straße vor dem Stehcafe, und das, obwohl es sich im eine 30 – Km – Zone handelt. Seltsam ...

 

Der Salat bei La Luce due gestern Abend draußen war gut, auch der späte Luftzug, der durch die Ackerstraße zog.

 

Fortuna – Thomas weigert sich mit fadenscheinigen Argumenten („ ... muss selbst heute Abend noch schreiben ...“), einen Gästebeitrag zu schreiben.

 

Carlos der Glückliche ist schon wieder seit längerer Zeit in Norf verschollen, scheint sich aber in irgendeinem gut getarnten Erdloch mit Nietzsche zu beschäftigen, was nicht schaden kann.

Höre, du Glücklicher, dieses Nietzsche – Zitat aus „Also sprach Zarathustra“:

 

„Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können!“

06.07.2001

 

Einer von uns ist heute Morgen von der Düsseldorfer Rheinbahn noch im Halbschlaf heftig abkassiert worden: 60 DM für zwei Haltestellen – und das nur, weil ein farbloses Kerlchen direkt neben ihm saß: ein Kontrolleur! Derjenige, dem das passiert ist, möchte sich dieses Betrag jetzt wieder durch „konzentriertes Schwarzfahren“ zurückholen. Wir haben begründete Zweifel an der Logik dieses Vorhabens.

 

Nach fast zwei Litern Limonade und einer Hühnersuppe (Verzehrzeit für alles: ca. 1 ½ Std.) ist Rucksack –Egon (72) immer noch nicht zur Toilette gegangen. Bustra fragt sich, wo er die ganze Flüssigkeit lässt. Ob er sie ausschwitzt? Auf jeden Fall arbeitet seine Blase schlecht. Oder liegt es an der Prostata?

 

Gerade kommt Henry, „der Transpirator“ herein, macht seinem Namen alle Ehre, schwitzt mächtig, selbst sein Taschentuch in der Linken tropft schon schweißig. Henry schwitzt aber nicht wegen des Fahrradfahrens, sondern wegen seiner Masse.

 

Hans mit dem halb geschlossenen rechten Triefauge sitzt wie immer teilnahmslos vor der rechten Frontscheibe, schweigt und glotzt nach draußen. Wir fürchten, dass er für das Stehcafe eine  eher abschreckende Schaufenster – „Dekoration“ ist, können uns aber nicht durchringen, ihm das zu sagen.

 

Hermann hat sich letzte Woche ein neues Hemd und eine Jeans gekauft, die er seitdem ununterbrochen trägt. Zwei alte Jeans hat er Psycho – Markus geschenkt. Preisfrage: Wie viele Jeans besitzt Hermann jetzt noch ... ?

 

Es gibt aber wichtigere Fragen.

 

07.07.2001

 

Gestern gegen 22 Uhr auf der Terrasse von „Zum Nudeln“: Platsch, das flog von irgendeinem erbosten Anwohner aus der Dunkelheit direkt auf den Nebentisch: ein Ei, und dann kam die Polizei vorbei.

Heute: weiter nichts, aber dieses Nichts nichtet unaufhörlich als An – wesen des Nicht – Seins, von dem wir wegen notorisch – abendländischer Seins – Vergessenheit leider nichts weiter sagen können als: Zunächst „Sein und Zeit“ von Martin Heidegger lesen, davon möglichst nichts verstehen als: Gedichte von Hölderlin (möglichst aus der „Zeit der geistigen Umnachtung“) lesen und sehen, was dann in einem passiert, z.B. folgendes Hölderlin – Gedicht (ohne Gewähr aus dem Gedächtnis zitiert):

 

Das Angenehme dieser Welt hab ich genossen

Der Jugend Tage sind wie lang wie lang verflossen

April und Mai und Junius sind ferne

Ich bin nichts mehr, ich lebe nicht mehr gerne.

 

Kein Wunder, denn wer möchte schon, wie Hölderlin, als „geistig Umnachteter“ in einem vergitterten Turmzimmer bei einem Schreiner Jahrzehnte seines Lebens verdämmern ... ?

 09.07.2001

 

Nicht weit von hier stinkt die Lindenstraße wie ein Pissoir, wegen der Lindenblüten nach dem gestrigen Regen. Da hätten wir es schon lieber, wenn diese Bäume Klosteine mit Meeresfrische – Aroma als Blüten trieben.

 

„Hält ein AUDI – Quattro vor einem italienischen Zöllner. Der zählt fünf Insassen, schüttelt energisch den Kopf und sagt, dass eine Person zu viel im Auto sei. Der Fahrer weist den Zöllner darauf hin, dass „Quattro“ doch nur ein Markenname sei, aber der Zöllner sagt erneut: „Einer zu viel!“ Darauf der Fahrer des AUDIs: „Das werden wir sehen. Holen Sie doch mal ihren Chef!“ Darauf der Zöllner: „Geht nicht, der ist gerade mit einem FIAT Uno beschäftigt, in dem zwei Personen sitzen!“

 

Heute kam er bzw. sie (?) wieder mit bösem Blick, einen Gegner suchend, draußen am Stehcafe vorbei. Es handelt sich um eine Person Anfang Dreißig, gekleidet wie eine Rentnerin unter Sozialhilfe – Niveau, ein ehemals hässlicher Mann, der nun wie eine noch hässlichere Frau aussieht, trägt abgelatschte Pumps Größe 47 (wo er die wohl her hat?) und am rechten Arm immer eine Plastiktüte, in der sich eine Flasche Bier und eine Flasche Korn befinden, die er möglichst diskret zwischen den Säufern auf den trostlosen Flingeraner Plätzen zu trinken versucht. Keiner mag ihn,  er weiß das und mag seinerseits auch keinen.

Was also soll der Unsinn: Erst war er ein Mann, den keiner mochte, jetzt ist er eine Frau, die erst recht keiner mag.

 

Bei manchen verläuft das Leben als grober Unfug.

10.07.2001

 

Gestern Abend haben Bustra und Hajo bei Computer – Thomas die wunderschöne Verfilmung von Milan Kunderas Roman „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ gesehen. Die alte Geschichte: la belle et la bete, die beiden idealtypischen klassischen Rollen der Frau: die Heilige und die Hure ... usw.

Jedenfalls waren wir an-gerührt und wünschten uns am liebsten eine solche Tandem – Frau, die es leider nicht gibt, oder ...?

Zur „unerträglichen Leichtigkeit des Seins“ hat Kundera in seinem ebenfalls wunderschönen Roman „Die Unsterblichkeit“ bemerkt (sinngemäß), eigentlich habe er die Schwere des Seins gemeint. Was heißt hier eigentlich „Schwere“ oder „Leichtigkeit des Seins“. Bustra fand den Satz „Ziehen Sie sich aus!“ am besten, Thomas hatte mal wieder dieses schwärmerische Lächeln drauf, das, wie wir dunkel vermuten, G. gehört. Hajo erinnerte sich „an damals“.

 

Carlos der Glückliche ist wohl auf einem Nietzsche – Trip, hat sich heute endlich auch mal wieder hier im Stehcafe gezeigt und bringt die neue homepage (Insidecafe.de) auf den Weg: Gut so, Glücklicher, aber wir wollen die Seite bald auch mal auf dem Rechner sehen!

11.07.2001

 

Heute für einige ethnische Minderheiten der zweitwichtigste Feiertag :

Sperrmüll in Flingern!

Zu unserem Befremden wühlte unser Freund von der Justiz exzessiv mit folgendem Ergebnis: ein Trichter aus Wellblech, zwei Untersetzer für Blumen, zwei größere weiße Blumenkübel aus Porzellan, und wenn wir ihn nicht zur Ordnung gerufen hätten, hätte er sicher noch weiter gewühlt: „Kann man ja schließlich alles irgendwie gebrauchen ...“ – oder auch nicht ...?!

Zum Glück setzt das begrenzte Kofferraum – Volumen eines VW LUPO auch natürliche Grenzen.

 

Es verdichten sich die Indizien, dass Computer – Thomas in seinem früheren Leben ein Hund war, und zwar wegen seiner Leidenschaft für das Schnuppern.

 

Vor Hajo auf dem Bürgersteig ging eine junge Frau, deren knapp bemessene Schritte ihren schönen Hintern rhythmisch wiegten – leider hat sie sich umgedreht ...

 

Hajo traf Rucksack – Egon leicht verwirrt im Reformhaus, wo Egon für seine noch verwirrtere Cousine Mehrkorn – Brot kaufte. Jetzt steht Egon am großen runden Tisch wie bestellt und nicht abgeholt, und seine Frau wird ihn zuhause wieder ankeifen: „Du warst wohl wieder in dieser Stehbierhalle!?“

 

Montag großer Feiertag hier im Stehcafe: Schneider – Sigi wird 60 Jahre alt.

 

Draußen geht Bustras „Freund“  vorbei. Beide grüßen einander mit falsch freundlichem Grinsen – gegenseitige Vernichtung nicht ausgeschlossen ...  

Dunja, Künstler – Thomas und Ludwig sind nach Griechenland in Richtung Nico verschwunden. Schöne Grüße an euch alle, erholt euch!

 

Abends kündigt sich die Leere des Sommers an, „des Sommers leer Gefilde“ (Hölderlin).

12.07.2001

 

Patent – Thomas hat heute seinen definitiven Erfahrungsbericht über die Christopher – Street – Schwulenparade am letzten Wochenende in Köln im Stehcafe abgeliefert:

Allgemeiner Nenner: „Die sollen alle abhauen!“

Angeblich einem Interview hat er folgende interessante Details  über die Verständigung der Schwulen untereinander entnommen: „Grünes Tuch in der linken Gesäßtasche bedeutet: Ìch will Ärsche ficken!`, blaues Tuch in der linken Gesäßtasche = Ìch will in den Arsch gefickt werden!`, rotes Tuch in der rechten Gesäßtasche = `Ich will blasen!`, gelbes Tuch in der rechten Gesäßtasche = `Ich will einen geblasen haben!`“

Wir finden es sehr bemerkenswert, dass er sich das alles so genau gemerkt hat ... !

Weiterhin hat er sich den Einschlag eines Kugelblitzes (den es übrigens gar nicht gibt) gewünscht, und: „Die sollen nicht heiraten dürfen!“

Heute hat er beruflich Tische zum Nürburgring gebracht (wegen des Trucker – Rennens am kommenden Wochenende) und dabei einen Schwulen kennen gelernt: „ein ganz Netter... !“

Der Schwule hat ihn dann eingeladen zu einer Party heute Abend, aber angeblich hat er die Einladung nicht angenommen,“weil er nicht so lange warten wollte...“, sagt er ... !

Wir wundern uns über die verschlungenen Wege des Zufalls: Schwulen – Hasser Patent – Thomas gerät „gaaanz zufällig ...“ in eine Schwulenparade, hasst das alles, lernt aber wenig später einen „gaaanz netten“ Schwulen kennen,, und heute Abend ist er ... zumindest nicht hier im Stehcafe ... !

 

Wohlan, Schicksal, nimm deinen unergründlichen Lauf!

 

P.S.: Übrigens, Bubu, reiß dich mal im Gästebuch etwas zusammen! Schließlich haben wir auch zart besaitete Leserinnen und Leser: was soll der arme Psycho – Markus denken, wenn er von „Hühnerleiter – Scheiße“ und „Ziege ficken“ liest? Soll Dunja da unten in Griechenland zart erröten oder schallend lachen? Und was soll die schöne und belesene Ute morgens beim Joggen denken, und überhaupt ... ?

13.07.2001

 

Freitag, der 13.: natürlich ein Glückstag, denn Bustra wurde an einem 13. geboren.

 

Draußen ist es kühl und ein wenig regnerisch. Wegen der Sommerferien werden die Straßen immer leerer. Manche Gäste bleiben weg – ob sie wiederkommen?

 

Nur Günni spielt abends noch an den Automaten vorne, volltrunken wie immer. Hoffentlich pisst er nicht wieder neben die Toilette.

 

Ein Thomas beginnt um 19.30 Uhr gleich mit einem Rotwein, was ein gutes Zeichen ist. Wenn er nämlich mit guten Vorsätzen und einem Mineralwasser anfängt, dann werden es danach, schließlich hat er ja mit Wasser und gutem Gewissen angefangen, viel, viel mehr Rotweine. Ein anderer Thomas gönnt sich auf einen kurzen Sprung mal eben ein DIEBELS, muss aber bestimmt bald weg ...

 

Der misslungene Transsexuelle ging mit einem hässlichen schwarzen Samtkleid aus irgend einer Altkleider – Sammlung über den Dorotheen – Platz und trank dann auf einer Bank sein Bier aus der Plastiktüte, musterte mit feindseligem Blick seine Umgebung, fand aber noch nicht einmal einen Gegner, war den Pennern noch nicht einmal eine Beschimpfung wert ... traurig, traurig ... wie die „Zoogeschichte“ von Edward Albee (?), die wir jetzt aber nicht erzählen, weil sie nachzulesen ist und vom Autor besser erzählt wird.

 

Ist es die Leere des Sommers, dass der Düsseldorfer Dialekt so hohl und schmerzhaft in unseren Ohren klingt? Fortuna – Thomas versuchte heute vergeblich, einem anderen Thomas klar zu machen, dass es „Pimmel“, und nicht „Pümmel“, dass es „Kirche“, und nicht „Kürsche“ heißt.

 

Vergeblich, ganz vergeblich ... !

14.07.2001

 

Den ganzen Tag Regen, wenig Besucher im Stehcafe.

 

Bustra will im nächsten Leben alles anders machen – wirklich „alles“, und in welchem „nächsten Leben“ ... ?

 

Das Stehcafe schließt schon um 18 Uhr, und wir dachten nach, wie das (übliche) „Sommerloch“ zu stopfen wäre:

 

Wir überlegten, vorne eine Regalwand mit Büchern aufzustellen, aber wer soll sie lesen?

Wir überlegten, einmal monatlich Literatur vorzulesen, aber wer will zuhören?

Wir hörten auf zu überlegen – für heute.

 

Gestern Abend wollten Bustra, Hajo und Computer – Thomas beim Plaka – Griechen „nur eine Kleinigkeit“ essen gehen, und es blieb auch nur bei einem Dorade („Sackbrasse“, was uns leider fatal an „Sackratte“ erinnerte – war aber sehr schmackhaft!), einer Lammhaxe mit grünen Bohnen und einem Souvlaki – Spieß. Nur mit dem Wein wurde es dann mehr, und dann sind wir noch nebenan in der ERBSE hängen geblieben, was noch mehrere Weine bedeutete und das Studium einer schönen türkischen  Kellnerin mit stark orientalisch – indischem Einschlag.

 

Debatte mit Lutz über den frühen („logisch – atomistischen“) und den späten Wittgenstein der „Sprachspiele“, auch über die Frage, ob und wie eine Gesellschaft ihre Mitglieder mit Arbeit versorgen könnte, was einen Rückgriff auf das „Kapital“ von Karl Marx nötig machte – zu keinem nennenswerten Ergebnis gekommen ...

 

Wie soll man auch im Leben zu „nennenswerten Ergebnissen“ kommen, denn das Leben macht immer weiter, es verweigert sich „Ergebnissen“. Das Höchste, was möglich ist, sind vorläufige Zwischenbilanzen, die ihrerseits sofort wieder zu einer veränderbaren Größe im Prozess (von lat.: procedere = fortschreiten) des Lebens wird. 

16.07.2001

 

F. ist schwer beleidigt, weil er in seinem Briefkasten einen mit „ungelenker Handschrift“ an ihn adressierten Brief fand: „An Herrn Sozialhilfeempfänger ...“ Die Spekulationen über den Absender schlagen hohe Wellen.

 

Hallo Niko! Ludwig hat dir in deinem griechischen „Gefilde“ richtig erklärt, was ein „Gefilde“ ist (siehe Gästebuch). Es geht doch kaum etwas über einen intelligenten Gymnasiasten, der dazu auch noch Trompete spielt, und das bei den Eltern ...! Hinzuzufügen wäre, dass in „Gefilde“ das deutsch – englische Wort „Feld“ – „field“ steckt, also die einen umgebenden „Felder“. Wir rufen dir, Dunja, Künstler – Thomas und natürlich Ludwig zu, was Goethe als Motto seiner „Italienischen Reise“ wählte: „Et tu in Arcadia“: hoffentlich seid ihr glücklich da unten im griechisch - arkadischen Land der glückseligen Schäfer (und Schäferinnen ... und Schafe ...)! Wir sind wegen der lateinischen Grammatik etwas in Verlegenheit wegen des Kasus und Plurals: „Et eos („ihr“?) in Arcadia“ ... ? Soll Ludwig klären, oder sein Latein – Lehrer – eilt nicht.

 

Angler – Jochen hat gestern Nacht eine Zander im Rhein gefangen: 8 ½ Pfund, sagt er ... Oder ist das Angler – Latein? Die letzte eben dort von Jochen gefangene dreipfündige Zander, die Hajo ihm abgekauft hat, liegt seit Wochen im Tiefkühlfach in Bustras Stehcafe. Bustra meint, Hajo solle Jochen endlich die Wahrheit sagen, aber Hajo weiß nicht, welche ...

 

Bustra und Computer – Thomas waren gestern Abend auf den Spuren Marco Polos am Hof des Kublai Khan (Film in ARTE) und haben auf dem langen, langen Weg dorthin Ute nicht getroffen. Ute, wo warst du? Auf einer anderen Reise – Route?

 

Ach, wie oft reist man aneinander vorbei ...

17.07.2001

 

Einer von uns war „auf Ritt“: Hamburg (schade, dass du nicht konntest, Sarah!),später dann in Oldenburg, hat jene Produktionsstätte gesehen, die unseren ehemaligen Landwirtschaftsminister zu den berühmten Worten veranlasste:

 

„Oldenburger Butter – hilft dem Vater auf die Mutter!“

 

Die Idee des Tages haben wir dem gestrigen SPIEGEL entnommen:

Sheriff Joseph Arpaio in Phoenix / Arizona befriedigt das Recht seiner Gefangenen auf Unterhaltung, indem er in einem stickig heißen Zelt als Fernsehprogramm den Wetter - Kanal laufen lässt, weil der niemandes Charakter verdirbt ...!

 

Wir haben auch diesen kühl sonnigen Sommertag in Ruhe hinter uns gebracht. Ex – Jurist Peter hatte nach seinem Sauna – Besuch großen Flüssigkeitsbedarf, den er auch ordentlich gestillt hat, ist aber abends noch halbwegs gerade hier rausgekommen.

 

Bustra war gestern mit Denys auf der Oberkasseler Kirmes am Rhein, sah viele Schwule Händchen in Händchen, teilweise mit Netzstrümpfen, und neigte zu den Ansichten von Patent – Thomas ... (s.o.).

18.07.2001

 

Gestern Nacht in der ERBSE: Paesto – Spaghetti mit Ruccola, some wine, zwei nette Frauen, die Blonde aber , als sie aufstand, wuchs und wuchs Richtung Decke: einfach zu groß für uns, keiner traute sich ran, und das war schlecht. Vier Männer und zwei Freundinnen, das ist eine komplizierte Konstellation, trotzdem: Carlos, wir geben es zu, wir haben versagt. Wenigstens konnten wir Bustra am Ende noch von dem Satz abhalten: „Vielleicht sieht man sich ja noch mal!“

 

Danach hat Computer – Thomas bei Hajo noch einige Bücher abgeräumt. Wurde spät.

 

Show – down heute in Flingern:

Seit unser „Pate von Flingern“ zum Samariter geworden ist, läuft hier alles drunter und drüber. Zuerst kam am frühen Nachmittag ein Schwarzer vorbeigerannt, den ein Weißer verfolgte. Bustra lief zum Eingang und sah, wie der Weiße den Schwarzen mit gezückter Pistole gestellt hatte: „Halt, Polizei, oder ich schieße!“, also ein Zivilpolizist. Pallas, ein Rentner, der „alles gesehen“ hatte, machte die mittlerweile zahlreich in Streifenwagen angerückte Polizei darauf aufmerksam, dass der Schwarze etwas in den blauen Container vor dem Stehcafe geworfen habe – in den Container unseres Paten ... ! Der Schwarze war mittlerweile festgenommen, die Polizei stocherte im Container ... erfolglos. Inzwischen kam ein anderer Polizist, der einen offenkundig Drogensüchtigen in eine andere Richtung verfolgt hatte, atem- und erfolglos zurück.

Ach, Pate, als den wir dich einmal gesehen haben: Könntest du noch einmal diese andere Luft schnuppern und hier noch einmal aufräumen ... ?!

19.07.2001

 Die schöne und belesene Ute saß einsam in einem Turm eines verwunschenen Schlosses in Mecklenburg-Vorpommern. Leider war ihr blondes Haar nicht lang genug, so daß die edlen Ritter, die sie auf ihre Reise mitnhemen wollten, ohne sie weiterziehen mußten. Es blieb bei einem freundlichen Lächeln und einer zum Gruß erhobenen Hand. Nachdem ca. der 35. Ritter grüßend und winkend und voller Freude auf bevorstehende Abenteuer in fernen Ländern, an ihr vorbeigezogen ist, hatte sie endgültig die Nase voll. Sie wollte auch mitreisen, nur wie? Sie überlegte und grübelte. Die Lage schien hoffnungslos. Plötzlich hörte sie ein Rauschen. Sie ging zum Fenster und staunte: ein fliegender Teppich mit einer imposanten Gestalt war im Anflug! Direkt vor ihrem Fenster machten beide Halt. Die schöne und belesene Ute schaute in zwei glutvolle schwarze Piratenaugen. Zwei starke Arme hoben sie aus ihrem Turm und setzten sie sanft auf einen wundervollen handgewebten Teppich aus echter chinesischer Seide. Der Wind trug beide fort auf eine lange und aufregende Reise! Und wenn sie nicht gestorben sind, dann...???
Liebe Grüße von Hedwig Courths-Mahler!

 

Lesen wir richtig: Ute Courths – Mahler ...? Also, schöne Ute, wir sind erstaunt, dass ausgerechnet du die gute alte Hedwig bemühst, über die  die Literaturkritik heute allerdings etwas gnädiger denkt, was das Etikett „trivial“ angeht. Wir nehmen es also als subtile Ironie von dir.

Trotzdem: „ein Schloss in Mecklenburg – Vorpommern“, was hat dich dahin verschlagen, wo es die größte Anzahl verkaufter Baseball – Schläger gibt, obwohl es merkwürdiger Weise dort keinen einzigen Baseball – Verein gibt ... ?

Und diese 35 Ritter können nicht sehr edel gewesen sein, wenn sie einfach so an dir (!) „vorbeizogen“, es müssen eher Gestalten jenes „tintenklecksend schlappen Kastraten – Jahrhunderts“ gewesen sein, die „in Ohnmacht fallen, wenn sie einen Buben zeugen“ (so flucht Karl Moor in Schillers „Die Räuber“ – Bustra hat eine neue Schiller – Ausgabe, wie du siehst).

Von den „zwei glutvoll schwarzen Piratenaugen“ und der „langen und aufregenden Reise“ würden wir, insbesondere vermutlich Carlos „der Glückliche“, der immer „mehr Sex“ gefordert hat, natürlich gerne mehr wissen ... !

Also; wir wollen mehr von dir hören!

 

Das Motto des Tages hat Ex – Fremdenlegionär Herbert heute verkündet:

 

„Gestern standen wir am Abgrund. Heute sind wir einen Schritt weiter!“

20.07.2001

 

„Ich muss weg. Ich habe Hunger!“, sagte Hajo gestern Abend und verschwand abrupt, aber mit Andeutung der Möglichkeit wiederzukommen. Bustra und Computer – Thomas verbrachten noch eine nette Stunde mit Tante Marie, die dann aber weg musste. Dann machten Bustra und Computer – Thomas sich auf die Suche nach Hajo: im EULER HOF (in dem auch Prozesse geführt werden ...) war er jedenfalls nicht, hatte seine Bratkartoffeln mit Speck vielleicht ja schon vertilgt. Also war er vielleicht zu Hause beim Entrümpeln seiner ca. 4000 Bücher? Bustra und Computer – Thomas klingelten zweimal bei ihm: vergeblich (obwohl in seinem Flur Licht brannte ...)! War er, wie Computer – Thomas vermutete, etwa in der Kleinbürger – Kneipe SONNENSCHEIN und knobelte dort? Mit der Knobel – Erfahrung, die er im Stehcafe mit Hermann gesammelt hat, wäre Hajo ja jetzt durchaus in der Lage, im SONNENSCHEIN halbwegs erfolgreich zu knobeln ... ! Aber im SONNENSCHEIN war er auch nicht ... Bustra vermutete, dass Hajo gerade wieder einmal eine Rede im türkischen Kulturverein hält, und zwar in der Hoffnung, dass er dann vielleicht mittwochs am Frauenabend reingelassen wird – ohne Frauenkleider! Bustra ist allerdings der Meinung, dass diese Rechnung Hajos nie aufgehen wird. Außerdem ist Hajos „Rede für jeden Fall“ noch längst nicht fertig. Wo er war, bleibt offen ... natürlich behauptet er, zu Hause gewesen zu sein!; nun ja ...

 

Leider viel zu kurz, zu dir, schöne Ute (s. Gästebuch):

Der Rebell war Karl Moor. Franz, sein Bruder, ist eine miese Ratte mit „Lappländer – Nase“, kann sich selbst im Spiegel nicht ertragen! Das „lange Gedicht“ oben hat Carlos der Glückliche gesendet, allerdings ohne korrekte Verfasser- und Quellenangabe: den müssen wir uns philologisch noch  zur Brust nehmen, was schwierig ist, da er sich irgendwo in der Gegend Neuss – Norf versteckt hält.

Und dann, schöne Ute, kommst du mit „Liebe als Rettung und Erlösung! Schön, oder?“

Ach, Ute, was sollen wir dazu sagen ... ? So vieles, das Zeit und Raum hier und heute sprengen würde, nur so wenig in Stichworten:

-         Platon benennt im „Symposion“ („Gastmahl“) den MANGEL (an eigener Daseins – Vollkommenheit) als Quelle und Antrieb der Liebe

-          Schopenhauer hält die Liebe für eine „Täuschung der Natur“, um die Selbsterhaltung der Gattung Mensch zu gewährleisten ... usw. usf.

 

Am besten gefällt uns natürlich der alte Zyniker Brecht mit seinem liebevollen Gedicht „Erinnerung an die Marie A.“, wo es so schön heißt (aus dem Gedächtnis zitiert):

 

....

Seit jenem Tag sind viele viele Monde

Geschwommen still hinunter und vorbei.

Die Pflaumenbäume sind wohl abgehauen

Und fragst Du mich, was mit der Liebe sei?

 

So sag ich Dir: ich kann mich nicht erinnern,

und doch, gewiss, ich weiß schon, was Du meinst

...

 

Aus Gründen der intellektuellen Redlichkeit und der Lebenserfahrung müssen wir jedoch eindringlich vor einer sakral – messianistischen Auffassung der Liebe („Rettung und Erlösung“) warnen: hängt die Liebe tiefer, dann wird sie vielleicht so, wie sie in dem Film „Belle de jour“ einfach und schön bezeichnet wird:

 

„Mit Dir ist die Liebe einfach und schön.

21.07.2001

 

 

 Jenny, eine ehemalige Schülerin Hajos, hat aus Kreta eine schöne Postkarte geschickt mit einem Motto von Herbert Achternbusch:

 

„Diese Gegend hat mich kaputt gemacht, und ich gehe erst, wenn man es ihr anmerkt!“

 

Bleiben wir deshalb hier in Flingern ... ?

 

Was das Bleiben betrifft, so geben wir allen zur Zeit flüchtigen Urlaubern (ja, auch euch da unten: Dunja, Künstler – Thomas, Ludwig) das folgende (aus dem Gedächtnis zitierte) Gedicht von Gottfried Benn zu bedenken:

 

Reisen

 

Meinen Sie, Zürich zum Beispiel

Sei eine tiefere Stadt

Die lauter Himmel und Weihen

Für Ihre Einöde hat?

 

Meinen Sie, aus Habanna

Weiß und hibiskusrot

Bräche ein ewiges Manna

In Ihre Wüstennot?

 

Ach, die Streets und Ruen

Boulevards und Laan

Selbst auf den Fifth  Avenuen

Fällt Sie die Leere an.

 

Ach, vergeblich das Fahren

Erst spät erfahren Sie sich.

Bleiben und stille bewahren

Das sich umgrenzende Ich.

 

Also bleiben wir hier in Bustras Stehcafe in Flingern und bewahren (wenn auch weniger „stille“) unser sich umgrenzendes Ich ...

 

Gestern Nacht sprachen wir noch lange über das Glück, das MAX STIRNER („Der Einzige und sein Eigentum“, 1844) den „faulen Fleck des Bürgertums“ nennt. Denn schließlich propagiert das Bürgertum ja vor allem „Leistung“ als „Weg zu Glück und Erfolg“, lässt dann aber, als glaube es selbst nicht an seine eigenen Ideale, das Glück (z.B. beim LOTTO – Spiel) als weitere Erfolgsmöglichkeit offen, sozusagen: Glück ohne große Anstrengung und Leistung – da ist doch wirklich was faul ...!

 

Wir sprachen auch über die Schwierigkeit, das offensichtliche, strahlende Glück der Anderen zu ertragen, so wie einer von uns, der neulich im hinteren Raum beim Chatten immer wieder glücklich lächelte, und wir Anderen saßen im vordern Raum an der Theke und mussten das eine lange Zeit irgendwie ertragen, ihm sein Glück durchaus gönnend – aber es war schwer, es mit anzusehen ...

 

Bustra heult mit den Wölfen: zähneknirschend

23.07.2001

 

Hajo war heute in schwüler Sommerhitze in seinem kleinen Heimatdorf am Niederrhein, um seine tapfere Tante Wanda (sie wurde 81 Jahre alt) zu beerdigen: während der Nazizeit konnte sie das Elend der im nahen Schloss internierten russischen Kriegsgefangenen nicht mit ansehen und hat ihnen jeden  Morgen, wenn sie vorbeiradelte, ein Brot über die Gitter des Schlosses geworfen – bis irgendwann irgend ein Arschloch sie beim zuständigen Ortsgruppenleiter denunziert hat. Sie wurde vorgeladen, strengstens belehrt und mit einem Aufenthalt im „Konzertlager“ bedroht. Danach hat sie morgens beim Vorbeiradeln nur noch ihr kleines Frühstück „fallen lassen“.

Auf der Beerdigung waren ca. zweihundert Leute, weil die tapfere Tante Wanda nach dem Krieg eine patente Geschäftsfrau war und  einen Mundart – Verein in diesem Dorfe mitbegründet hat und sowieso vor allem ein guter, heiterer Mensch war.

Als enger Verwandter ging Hajo mit seiner Mutter und seinem Bruder in der dritten Reihe hinter dem Sarg, schaufelte auch seine Schüppe Erde hinunter in die Grube. Dann ging er - aber  nicht in die Kirche, auch nicht zum Kaffeetrinken im Gemeindehaus. Er dachte an das bis heute unbekannte Arschloch, das seine tapfere Tante Wanda denunziert hatte und vielleicht zur Trauergemeinde gehörte...

Hajo fuhr dann in der Hitze nach Hause nach Düsseldorf.

 

Wir warten immer noch auf Nachricht von Patent – Thomas. Nach der Schwulen – Parade neulich in Köln müsste er doch eigentlich „ganz zufällig“ vorgestern auch in die LOVE PARADE in Berlin „geraten sein“, wie gesagt: „ganz zufällig ...“. Und wir wüssten gern, wie es ihm dort ergangen ist, welche interessanten Details (Tücher – Signale in den Gesäßtaschen der Heteros ... ?!) er in Erfahrung gebracht hat, zu welchen allgemeinen Schlüssen er gekommen ist („Sollen die auch alle weg ...“ ?!).

 

Noch ein kleiner Nachtrag zu Utes „Erretter- und Erlöser- Theorie“ über die Liebe:

Wir geben das Schicksal des bedeutendsten „Erretters und Erlösers“ zu bedenken – er starb, von denen, die er erretten und erlösen wollte, „gekrönt“ mit einer Dornenkrone, am Kreuz ... !

 

Abends an der Theke hat Jockey – Fritz Hajo elf Mal, wir wiederholen: elf Mal hintereinander ohne Pause und in gleichem Wortlaut die Geschichte seines abgebrochenen Absatzes an seinem linken Sommerschuh erzählt. Das muss einer erst mal aushalten. Wir nehmen von Computer – Thomas` sadistischer  Anregung Abstand, diese Geschichte jetzt elf Mal zu erzählen ... !

 

24.07.2001

 

Carlos, Glücklicher, du bist unser Mann! Wir haben die neue Nachfolge - Homepage „Insidecafe.de“ gesehen und sind sehr zufrieden! Morgen werden wir dich heimsuchen. Wir haben schon am Neusser Hauptbahnhof drei Pferde für den Querfeldeinritt nach Norf geordert. Frage für unseren Rückritt: Gibt es auch „Trunkenheit am Zügel“? Wie sind die Promille – Regelungen für Reiter – und die Pferde? Vorerst ein herzliches Dankeschön!

 

(Mensch Ute, was glaubst du denn, was ich von dir glaube ... ? Habe deine Courths – Mahler – Ironie natürlich nicht überhört! Wenn du richtig schreibst, dass jeder die Liebe auf seine Weise gemäß seinen Lebenserfahrungen versteht, dann ist ja gerade das die Eröffnung eines weiten Feldes ... In diesem Sinne ebenfalls IN LOVE : Hajo.)

 

Ein sehr schwüler Tag, nur im Stehcafe kann man es einigermaßen aushalten mit Ventilator an der Decke und Durchzug. Computer – Thomas hat seinen schwarzen GOLF 4 schon eingeparkt ... Vorne rechts vor den Automaten steht ein netter Italiener mit seiner kubanischen Frau, Baby und der Cousine der Frau (24), die ein enges bonbonfarbenes T-Shirt und eine ebenso farbige Leggins trägt. Wie gesagt: ein sehr schwüler Tag ...

 

Und dann noch unsere „X mal Null – Theorie“, geradezu niederschmetternd:

 

Angenommen, jemand hat eine positive Eigenschaft ( = 1), z.B. eine gute Bildung, und eine niederschmetternd negative Eigenschaft (= 0), z.B. eine zu hohe, sich überschlagende Kinderstimme: dann ergibt das rein mathematisch: 1 x O = O.

Angenommen, eine Person hat zehn positive Eigenschaften (= 10) und ebenfalls nur diese eine negative Eigenschaft (= 0): dann ergibt sich rein mathematisch: 10 x O = O – und auch 100 x O ergibt ... : O!

Eben das ist  das Niederschmetternde: Man kann noch so viele positive Eigenschaften haben, ein einziger Multiplikationsfaktor 0 (und wenn es nur ein zu flacher Hintern ist!) ergibt ... eben NULL. Und welcher Faktor gleich Null ist – das bestimmen, ganz willkürlich, nur die Anderen! Einzig mögliche Gegenwehr: man erklärt (für sich) die Anderen zu NULLEN!

 

Computer – Thomas ist in einem Zustand nahe der Verzweiflung: Er fühlt sich „nur von Verliebten umzingelt“!

 

25.07.2001

 

Zu unserer „X mal O – Theorie“: wir haben sie aus Gründen der intellektuellen Redlichkeit erwähnt – wir leben allerdings nicht danach! Manche, vielleicht sogar viele Dinge im Leben, muss man wohl einfach hinnehmen, leider, und „irgendwie“ damit leben ...

 

Wieder so ein schwüler Tag, Fluchtpläne: Bustra verschwindet mit Denys am Freitag in den Süden, Computer -Thomas und Hajo vielleicht in den Norden ans Meer: ab Freitag Funkstille.

 

Wer also noch etwas Wesentliches zu sagen hat, muss sich beeilen.

 

Der Mufti von Flingern ging gerade zum dritten Mal am Stehcafe vorbei – wir schweigen dazu. Wir werden jetzt Carlos den Glücklichen heimsuchen.

30.07.2001

 

Wir sind wieder zurück.

 

Computer – Thomas und Hajo haben in Domburg / Zeeland die schöne Leichtigkeit des Seins gespürt: diese Glücklichen haben um zwölf Uhr am Strand die letzten beiden Liegestühle ergattert und,  beschattet von zwei Sonnenschirmen, die leichte Sommerbrise am Strand genossen. Lobenswert ist ihr eineinhalbstündiger Spaziergang unten am Wasser mit dem schönen Ergebnis, dass Hajo heute aussieht wie sein Sternzeichen: nämlich krebsrot! Thomas weidet sich heute schadenfroh an Hajos Anblick und ist stolz, dass er sich so ordentlich eingecremt hat. Erwähnenswert ist auch, dass eine Möwe auf Thomas` Sonnenschirm geschissen hat und Thomas beim Abtransport genau in die Möwenscheiße gelangt hat – war schon gekonnt! Sehenswerte Frauen da oben! Ob beide wirklich in Domburg in der Mittagshitze das Strandvolleyball – Turnier gewonnen haben, wagen wir zu bezweifeln ... Natürlich haben sie es wieder nicht geschafft, Fisch zu essen.

 

Bustra weigert sich, Details seines Ausfluges näher auszuführen, da er familiär unterwegs war.

 

Abends ging die schöne Ute am Stehcafe vorbei, winkte kurz., und schon war sie weg.

 

Warnung an alle: esst keine Seeigel, davon wird einem übel (so wie G. in G.: Gute Besserung!).

Übrigens, immer daran denken: wer alt werden will, sollte Ärzte meiden!

 

Steht ein Mensch vorm Himmelstor, und der Türhüter fragt ihn: “Welche Konfession?“ „Hindu!“ „Gut, dann gehen Sie den Flur entlang in Zimmer 24, aber seien Sie bitte vor Zimmer 8 ganz leise!“ Der nächste Mensch bekennt sich als Moslem und bekommt vom himmlischen Türhüter die Antwort: “Gut, gehen Sie den Flur entlang in Zimmer 12, aber seien Sie bitte vor Zimmer 8 ganz leise!“ Der hinter ihm stehende Protestant, der beides mit angehört hat, fragt den Türhüter: „Warum sollen denn alle vor Zimmer 8 ganz leise sein?“

Da antwortet der himmlische Türhüter milde lächelnd: „In Zimmer 8 versammeln sich die Katholiken, und die meinen immer noch, sie seien die einzigen im Himmel!“

 

Immer noch schwül – heiß. Wir fragen uns, was werden soll: Es werde kühler!

 

31.07.2001

 

Unser Freund Heinz – Dieter, „die Justiz“, berichtete, dass er am Wochenende die Delegation aus dem nordfranzösischen Dorf, in dem seine Freundin Blandine wohnt, kreuz und quer durch Düsseldorf touristisch geführt hat. Gewohnt haben sie im Hinterhofgebäude von Bustra. Das hiesige Bier hat ihnen geschmeckt, kurzum: ein ordentlicher Beitrag zur Erhaltung der deutsch – französischen Freundschaft!

 

Heute gegen Mittag zerschellte mit lautem Krach ein recht großer Blumentopf samt Pflanze und Erde knapp vor dem Stehcafe: er kam aus einem der oberen Stockwerke, wo eine Hausfrau den Durchzug nicht richtig eingeschätzt hatte.

Was lernen wir daraus? In Zukunft empfehlen wir allen Gästen, sich dem Stehcafe nur mit Helm zu nähern!

 

Die Penne mit Tonno und Zuccini gestern Abend beim ehemaligen Ischia – Italiener draußen auf der Terrasse waren wirklich gut, wie vorgestern das Auberginenmus mit Knoblauch und Schafskäse beim Plaka – Griechen gegenüber.

 

Fragt ein Mann seinen Freund: „Was hast du eigentlich deiner Frau zum Geburtstag geschenkt?“ „Eine Kette.“ „Gute Idee, das mache ich auch, meine läuft auch immer weg!“

 

Draußen ging wieder der Mufti von Flingern vorbei, mit ausdruckslosem Gesicht, schwer einzuschätzen ...

 

Es ist immer noch heiß, aber langsam kommt ein Wind auf. Er bauscht die Röcke und Blusen der Frauen, was uns und ihnen  nicht weiterhilft.

 

„Was tun?“, hat Lenin einmal gefragt, aber seine Antworten auf diese Frage helfen uns auch nicht weiter.

 

Computer – Thomas hat seinen schwarzen GOLF 4 schon eingeparkt. Hajo, der trotz infernalischem Baulärm heldenhaft es bis 15 Uhr, sich schlafend stellend, im Bett ausgehalten hat, ist hungrig. Wir gehen wieder zum Italiener draußen auf die Terrasse.

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