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05.09.2001

 

An unseren spanischen Fanclub: Mädels, ihr habt gut reden! Natürlich ist hier immer was los – aber was schon ... Es ist die manchmal unerträgliche Seichtigkeit des Seins, die uns zum Schweigen bringt. Hinzu kommt die Notwendigkeit einer gewissen Diskretion ...

 

Die schlecht gelaunte Ute hat Recht mit ihrer Feststellung, dass aufgewärmte Goulaschsuppe am besten schmeckt. Hinzuzufügen ist lediglich, dass die Anzahl der Aufwärmungen natürlich begrenzt ist. Irgendwann kippt der gute Geschmack ins Gegenteil um.

Vielleicht trifft das ja auch auf Beziehungen zu.

 

Die Beziehung zwischen Justiz – Heinz Dieter und dem Schäferhund seiner französischen Freundin Blandine hat eine dramatische Wendung erlebt: Heinz Dieter erzählt von dem Köter nur noch lustvoll grinsend, er hat ihn nämlich mit Hilfe eines Buches dressiert. Neuerdings telefoniert Heinz Dieter täglich mit dem Hund: Er ruft Blandine an, sagt dann: “Gib mir mal den Hund!“. Blandine hält dem Hund dann das Handy ans Ohr und Heinz Dieter gibt ihm (auf Französisch) ein Kommando, z.B. „Sitz!“, das der Hund dann schwanzwedelnd befolgt, wobei er allerdings etwas ratlos – dumm in der Gegend herumguckt, wo denn nun sein Herrchen ist ... ?

 

Draußen ist es seit Tagen kühl und regnerisch, was ein wenig aufs Gemüt geht, vor allem, wenn wir an die 36 Grad unten in Granada denken: Mädels, ihr habt`s gut!

06.09.2001

 

 

Hombre, Mitte Vierzig, Koch, Flamenco – Spieler und Sänger, Spanier aus Cadiz, war nach längerer Zeit mal wieder hier. Sein Deutsch wird immer besser: in den fünf Jahren, die er hier in Deutschland ist, hat er mittlerweile sechs (!) Wörter gelernt! Zum Glück saßen Don Pedro und El Thomaso an der Theke, so dass sich eine lebhafte, interessante Unterhaltung entwickelte. Hombre redete und redete, und die anderen Beiden nickten und nickten, manchmal ein „Ah!“ oder „Oh“ ... nur Hajo konnte nicht mitreden.

 

Seitdem er Urlaub hat (vier Wochen noch vom letzten Jahr!), trägt Schneider – Sigi eine fesche schwarze Lederjacke, aber er ist traurig, weil die Behörden ihn schikanieren und immer neue Papiere von der Ukrainerin fordern, die er heiraten will. Trotz Hajos Angebot weigert Sigi sich standhaft, ihn zu duzen, stattdessen sagt er „Herr Professor“, aus Respekt vor dessen Bildung und weil er nur „ein kleiner Schneider“ sei. Hajo meint dagegen, dass Sigi ein „großer Mensch“ ist. Vorerst erträgt Hajo das „Herr Professor“ – widerwillig, aber  aus Respekt vor Sigi, der das so sagen will. Sigi erzählt, dass in der Kö – Schneiderei, in der er arbeitet, sein Chef ihn gelobt habe: „Herr K., Sie sind ein Meister!“. Darauf habe er, Sigi, geantwortet: „Chef, ich bin kein Meister, ich bin Rumäne!“

 

Bustra muss, nach drei Jahren (!), die Preise geringfügig erhöhen, weshalb er Skrupel hat – völlig überflüssig, meinen die Anderen.

 

Der Vorsokratiker Heraklit hat Recht: „Alles ist im Fluss“. Draußen regnet und regnet es. Also sind zur Zeit die spanischen Mädels (siehe Gästebuch) „nicht von unserer Welt“, schon rein vom Wetter her, und wenn wir Don Thomaso zuhören, dann muss unter den spanischen Mädels eine „Überirdische“ sein („G.“ ... ?!).

10.09.2001

 

 

Unser Besuch am Samstag Abend beim Spanier in der Bahnhofsgegend erwies sich als Flop: Hombre, der Koch und Flamenco – Spieler, hat zum Glück nicht gesungen, aber gekocht ...: diverse Vorspeisen auf einem Teller zusammengeklatscht, die Champignons schwarz gebraten. Später, ebenfalls auf einem Teller eng zusammen gezwängt, ein gemischter Fischteller, essbar, aber gekrönt nicht von Aioli, sondern ... von Remouladensoße! Um ein umständliches Nachservieren zu vermeiden, stellte Hombre dann eine giftgrüne Plastikflasche a la „Meister Propper“ auf den Tisch, Inhalt: weitere Remouladensoße. Zwischendurch tanzte eine Flamenco – Tänzerin, die offenbar ihre Rente aufbessern wollte. Schon faszinierend war, wie sie dann zum Bauchtanz überging, so ohne weiteres ... Unser griechischer Freund Costa versuchte dann noch zwei Mädels anzumachen ... vergeblich! Die Kellnerin, eine blondierte Walküre aus dem Kosovo, betonte bei jeder Bestellung, dass sie noch nicht lange im Lokal arbeite. Die einzigen positiven Aspekte: einige Osborno Veterano, der Preis für alles (inklusive 2 Flaschen Wein und 4 Pils: 99 DM !) sowie die Tatsache, dass der Restaurant – Besitzer Bustra eindeutig als Spanier identifiziert hat!

 

Bei der Flughafen – Einweihung hat Hermann Bustra versetzt, was ihre neu geschlossene Freundschaft am Samstag nicht gerade gefestigt hat.

 

El Thomaso, der angeblich „Unbesiegbare“, hat heute zwei Runden beim Knobeln verloren, nachdem Hajo am Samstag zwei Runden für ihn geblutet hat.

 

Draußen herbstet es unangenehm; Regen, Sturmböen, 14 Grad:

 

„Noch einmal ein Vermuten

wo längst Gewissheit wacht.

Die Schwalben streifen die Fluten

Und trinken Fahrt und Nacht.“

 

(Gottfried Benn, jawohl, Uli, Gottfried Benn, aus dem Gedächtnis natürlich)

 

 

17.09.2001

 

Letzten Freitag waren wir froh, dass abends  Fritz (72) Fortuna – Thomas (zwei Köpfe größer, Mitte Dreißig ...)  nach einer hektischen Diskussion über die Terroranschläge in Amerika nicht umgehauen hat! Umgehauen hat es aber Hermann, der rückwärts hinter die Theke fiel, aber im letzten Moment gekonnt von Bustra aufgefangen wurde.

Abends Eröffnung der Muschelsaison bei Hajo: Miesmuscheln rheinische Art und a la provencale. Computer – Thomas hat sogar mitgekocht: Möhren geschält, Porree und Zwiebeln geschnitten ... wird häuslich, der Junge, scheint für irgend etwas zu trainieren ...! Wichtig ist, dass alle es überlebt haben, wenngleich Dunja  am frühen Samstag Nachmittag trotz bedeckten Himmels mit Sonnebrille gesehen wurde und Computer – Thomas bis zum Abend gar nicht, was vielleicht am Veterano Osborno lag ... hat früh am Morgen überall schwarze Stiere gesehen und vielleicht von Granada geträumt: „Es grünen die Wälder, die Seen und ich singe... Granada!“ (Hallo Mädels da unten! Wir leben noch, und das nicht schlecht!).

 

Er gibt es selbst zu: Hajos Besuch beim Friseur am Freitag Nachmittag war ein Flop. Seine Tochter Jenny begrüßte ihn abends mit „Hallo Hasso!“, womit sie irgend einen bulligen Hunde – Typus meint. Hajo ist es nicht gelungen, Dunja von folgenden leichenfledderischen Bemerkungen abzuhalten:

 

Na, Hajo sieht noch ganz lebendig aus, wenn auch ein wenig steif. "Hasso" klingt doch gut, Hasso. Wenn wir demnächst „Platz, Hasso!“ rufen, ist ja klar, wer gemeint ist. Endlich gezähmt!!! Aber nicht, dass wir jetzt alle mit dir Gassi gehen, Hasso!

 

18.09.2001

 

Also, Dunja, Hajo zu zähmen, das haben schon viele versucht: einige Lehrer, die Bundeswehr, diverse (auch Ehe-) Frauen ... aber das hat sich als vergeblich erwiesen. Bestenfalls seine Tochter Jenny hat kleinere Erfolge zu vermelden, da sie die Person ist, die es am längsten mit ihm ausgehalten hat (mittlerweile fast 22 Jahre), ihn daher am besten kennt, und vor allem: die er am meisten mag!

 

Den Mufti haben wir schon lange nicht mehr vor`m „Laden“ gesehen, ebenso nicht den Mann, den wir früher den „Paten von Flingern“ nannten ... Nun ja, wir denken nicht weiter darüber nach. Trotzdem fragen wir Bustra täglich: „Isser i(b)m Laden?“

 

Im türkischen Kulturverein nebenan stehen vorne links einige kackfarbene, abgelutschte Sessel, auf denen nie einer sitzt. Warum nur?

 

Über Bustra schwebt wieder das Damokles – Schwert einer Strafe, die er schon im Prinzip anerkannt hat: eine dumme Bemerkung beim Schachspiel (vielleicht ... ?), und schon boykottiert Computer – Thomas das Stehcafe (gestern und heute und ... ?). Oder räumt er auf? Oder wäscht er? Oder „macht er seine Papiere“ ... ?

24.09.2001

 

 

Schneider – Sigi trinkt sich ratlos und traurig durch seinen Urlaub.

 

Sarah ist hier mit Dunjas „Prada – Meinhoff – Jacke“.

 

Veterano Osborno, den schwarzen Stier, haben wir letzten Samstag, nach Rigatoni mit frischen Tomaten, Oliven, Thunfisch und viel Knoblauch, bei Hajo zur Strecke gebracht, wobei Computer – Thomas besonderen Kampfeswillen gezeigt hat.

Bustra und Hajo leisten zur Zeit Schwerstarbeit: sie müssen einen hellhäutigen Araberhengst bändigen und zügeln, der mit bebenden Nüstern hufescharrend, vor Erregung zitternd, auf der Bahn steht und den Start erwartet – und das vor dem terroristischen Hintergrund, dass irgend ein Fanatiker einen Pferdestall angesteckt hat, nur weil da lauter Araber drin waren!

 

Jünni spielt, hackevoll wie immer, am Geldautomaten. Es regnet nicht mehr. Draußen dunkelt ein milder Herbstabend.

 

Sarah hat ganz spontan zur Rechtfertigung ihrer Existenz hier und heute Folgendes vorzubringen:

Bin 1. die einzige Frau hier (die Quote muss ja erfüllt werden), 2. die Jüngste und 3. kann ich 1. Hilfe im Falle des Falles leisten... (Sorry, die anderen Gründe kann man hier aus Gr, ünden des Jugendschutzes, Datenschutzes etc. nicht aufführen....). Sex ist nicht alles. Meer

Weniger nicht. 

28.09.2001

 

 

Laub vergilbt und fällt. Nach Regenschauern glitscht man über die Bürgersteige. Gegen Mittag, wenn der Nebel sich verzogen hat, die goldene Altweiber – Herbstsonne. In den kühlen Nächten  erquickender Schlaf:

 

„Astern, schwälende Tage

Alte Beschwörung, Bann.

Die Götter halten die Waage

Eine zögernde Stunde an ...“

 

(schon wieder Gottfried Benn, Uli, ... !).

 

Dunja geht es wieder gut, Künstler – Thomas kocht heute Abend: wer weiß, was er da ... aus – packt, aus – backt, ver – brät, brät ... ? Hajo wird es nie wissen, denn er hilft seiner Tochter Jenny beim Kochen für deren Freund in der Hoffnung, dass vielleicht was für ihn selbst übrig bleibt, was beim Appetit des Freundes allerdings unwahrscheinlich ist! So muss er versuchen, sich beim Abschmecken und Probieren unauffällig „nebenbei“ wenigstens ein wenig zu sättigen. Der „arme“ Hajo tut uns aber nicht im mindesten Leid.

 

Am runden Tisch vorne links lassen sich Hermann und Jockey – Fritz von einem alten Quartalssäufer aushalten, der einigermaßen glaubhaft behauptet, Schriftsteller zu sein. Der Typ ist aber so widerlich, dass keiner von uns sich bisher entschließen konnte, eines seiner (?) Bücher zu lesen.

 

Der Grieche Anestis behauptet, sich auf Presseerklärungen berufend, dass 4000 Israelis, die ständig im World Trade Center in New York gearbeitet haben, am Tage des schrecklichen Terror – Angriffes am 11.9.2001  nicht am Arbeitsplatz erschienen. Wir lassen das unkommentiert.

 

Die Wäscherei, in der Günni arbeitet, wird im Januar geschlossen, und damit verliert er (59 Jahre als, von denen er 45 gearbeitet hat!) seinen Arbeitsplatz. Einen neuen wird er wohl nicht finden. Traurig. Günni spielt abends besoffen wie immer am Automaten und wankt am Ende

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