tagebuch-mai-2001
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 2.5.2001

Bustra, Hajo und Thomas waren beim Spanier oben im Grafenberger Wald gegenüber der Rennbahn essen. Bustra, Noch – Mazedonier, sah, wie der Spanier hinter der Theke einen albanischen Kellner tyrannisierte. Darauf  sagte Bustra nur „Tranquilo, Senor, siempre tranquilo“ zu ihm, woraufhin der Spanier völlig ausflippte und Bustra anschrie, diese habe ihm nichts zu sagen. Als die Beilagen zum bestellten gemischten Fischteller dem stets hungrigen Bustra zu wenig waren, versuchte er beim Spanier noch eine Portion Pommes frittes zu bestellen. Der Spanier schrie heiser: „Du erst hier aufessen, dann du bekommen Pommes!“ Nachdem Hajo und Thomas Bustra halbwegs wieder ruhiggestellt hatten und alle mit dem Essen fertig waren, bestellte Bustra beim jugoslawischen Kellner eine Zigarre – und Bustra raucht eigentlich keine Zigarren! Da wir knapp vor der Theke saßen, hörten wir den Spanier herumbrüllen: „Hier gibt es keine Zigarren!“, was uns der Kellner kurz darauf etwas peinlich berührt mitteilte. Also rauchten wir unsere selbstgedrehten DRUM –Zigaretten, in der schwarzen Spitze natürlich. Nach zehn Minuten  standen vier Männer kurz vor uns an der Theke – sie rauchten große, dicke, fette Zigarren, die der Spanier ihnen verkauft und angezündet hatte. Als wir gingen, entschuldigte sich der jugoslawische Kellner bei uns für die schlechte Laune seines Chefs, und der schickanierte albanische Kellner half Bustra in den Mantel, woraufhin dieser ihm Trinkgeld gab.

Wir fragen uns nun, ob Bustra neuerdings zum „Freund und Retter aller Albaner“ mutiert ist, oder ob es  ihm nur darum ging, den Spanier zu ärgern und sich die  Untertänigkeit des Albaners zu erkaufen. Thomas jedenfalls meinte, dass nach unserem Weggang alle Angestellten „wahrscheinlich die Hölle hatten“, Hajo bedauerte es, dass man sich heutzutage nicht mehr mit solchen Typen duellieren kann, wie es MÄNNER in früheren Zeiten noch konnten, z.B. mit solchen eleganten Bemerkungen wie: „Mein Herr, was halten Sie davon, wenn wir beide im Morgengrauen ein wenig frische Luft schnuppern“ Schade, denn wir sind alle gute Schützen, Bustra und Thomas auch gute Boxer.

Der Pate ging wieder vorbei, trotz der  Hitze im grünen Mantel, mit dem schwarzen Hut natürlich. Er schien schlecht gelaunt. Wir machen uns Sorgen ...

Maler- Thomas und seine Frau Dunja waren heute da. Wir haben uns lange  über Lenie Riefenstahl unterhalten, angeblich „eine von Hitlers Frauen“ ,zweifellos formal wenigstens eine begnadete Künstlerin. Some wine und beer ...

Carlos hat im Gästebuch „mehr Sex“ gefordert – typisch Portugiese. Carlos, hör zu: Wir können nicht mehr schreiben als ist bzw. als wir wollen. Dieses Tagebuch soll außerdem nicht als Wichsvorlage missbraucht werden. Ansonsten halte dich an deine Liebe. Danke übrigens für deine Computer – Tipps und schau häufiger rein!

Hermann  ist weg : Mallorca, zum xten Male. Fritz ist auch nicht da, obwohl heute erst der 2. ist – wahrscheinlich irgendwelche „Geschäfte“? Hans sitzt wie immer da, hört zu, sagt wenig, das Augenlid des rechten Auges schlaff halb herunterhängend , seelenruhig.

Muesser, der „schöne Türke“  (sieht ungefähr aus wie Omar Sharif in seinen besten Jahren), neulich nach Dormagen verzogen, war  mal wieder hier. Er hat uns vor ein paar Monaten im türkischen Kulturverein (ein paar Häuser weiter) eingeführt. Wir haben da gut gegessen, Hajo hat eine blöde Rede Gehalten (von wegen „guter Nachbarschaft“ und so ...), Thomas und Bustra konnten ihn leider nicht zurückhalten. Trotzdem gab es verhaltenen, höflichen (?) Beifall. Wir wollten dann mittwochs zum „Frauenabend“ gehen, aber der ist leider tabu für uns , weil an diesem Tag nur Frauen da sind. Wir überlegen, ob wir verkleidet hingehen ...

 

03.05.2001

Wie Computer – Thomas seinen Arbeitstag im Büro beginnt: Zunächst einmal zieht er sich per Computer den „daily dirt“ rein, muss man sich mal vorstellen, als Einstimmung für die Arbeit ... ! Sein Highlight heute war folgender Witz:

Unterhalten sich drei Mäuse, wer die größte und mutigste ist. Die erste Maus erzählt: In meinem Keller stehen jede Menge Mausefallen. Mit links halte ich den Schlagbügel fest, mit rechts nehme ich mir dann den Speck. Anschließend mache ich dann mit dem Schlagbügel noch ein paar Hantel – Übungen. Darauf die zweite Maus: Bei mir im Keller liegt jede Menge Rattengift. Das mache ich mir mit einer Rasierklinge ganz klein und ziehe mir dann auf einem Rasierspiegel eine schöne line. Als die dritte Maus daraufhin einfach geht, fragen die ersten beiden sie, wohin sie wolle, worauf sie unbeeindruckt antwortet: Ich gehe jetzt die Katze ficken!

104,90 DM im Lotto gewonnen: gerade mal die Kosten für den neuen Monatsschein und einen Wein bei Bustra rausgekriegt: wunnebaa .... !

Verdammt warm heute ( 27 Grad), abends endlich kühlender Regen.

Das Dasein tritt heute ein wenig auf der Stelle.

 Der Vorschlag von Walter Höllerer damals:

„Vielleicht sollte man zurückgehn

man wär glücklich

und man kanns bezahlen.

So durch die Kanäle rolln

wie Wäsche rollt

und Seife im Hotel.

Negerinnen plauschen

„Gute Seele, kam aus Stuttgart

und der Prager Schneider

ist ein guter Mann...

Auch dein Körper

Umriß vor den Jalousien

Dreht sich jetzt nach vorn

Fällt hinter sich ...“

(Ohne Gewähr, aus dem Gedächtnis zitiert.)

Sollen wir etwa , wie Höllerer, einen „großen blauschwarzen Hahn“ bewundern, dessen „Glanz“, wie er „unangefochten eine Lady trägt“ ... ?

 

04.05.2001

Carlos schafft weiter Ordnung in unserem Computer, weshalb wir darüber nachdenken, ob wir Computer – Thomas  seinen „Vornamen“ nehmen und ihn in „Dealer – Thomas“ umbenennen, denn er verkauft  Computer – Teile, aber wenn es wirklich „handfest“ um die Arbeit am und mit dem Computer geht, dann haben wir von Computer – Thomas bisher meistens nur Sätze  wie „Man könnte ...“, „Man sollte ...“ usw. gehört. Na gut, wir lassen ihm seinen „Vornamen“, um die  Thomas – Inflation hier nicht weiter anzuheizen. Dieser Vorname muss vor gut dreißig Jahren mal Mode gewesen sein!

Patent – Thomas war mittags hier, mit dem üblichen schlitzohrigen Lächeln. Die Massenproduktion seines „Omas Fußwäsche – Patents“ ist immer  noch nicht angelaufen ... Wir könnten jetzt Seiten füllen mit seinen unzähligen guten Ideen und Projekten, über die er überzeugend wie ein Staubsauger – Vertreter  reden kann  - wir vermissen nur die erfolgreiche praktische Umsetzung! Neulich hat er sich auf irgendeinem Auto – Strich im Auto einen blasen lassen und bemerkte beim Betrachten der „Bläserin“ Bartstoppeln. „Hey, warst du mal `n Kerl?!“ Als  „die“ Bläserin nickte, dachte er kurz nach, ließ „sie“ aber  dann weitermachen mit der späteren Begründung uns gegenüber, schließlich hätte er ja schon bezahlt ...

Rhinefire – Thomas war schon länger nicht mehr hier, Fortuna – Thomas schaut manchmal kurz und etwas gehetzt rein und trinkt ein schnelles Bier. Mehr ist nicht drin – kriegt sonst Ärger mit seiner Freundin, wegen Stinkens nach Zigarettenrauch und so ...  Da ist Künstler – Thomas besser dran: seine Frau Dunja raucht und trinkt ordentlich mit, wie sich das gehört – gute Komplizin, weiß viel, kann auch lachen!

Weitere Komplizen im Stehcafe, anwesend als Gips – Büsten: Sokrates,  Apoll, Adonis, Alexander der Große, Napoleon, Aphrodite, J.S. Bach, Händel, Mozart, Beethoven und zwei ca. einen Meter hohe Säulen. Nicht zu vergessen drei Grazien als Torsos im weißen, kreisrunden Gips – Halbrelief, die mittlere mit einem göttlichen Hintern! Aber hüten muss man sich vor dem Hund (Kachel aus Pompeji): Cave canem! Vor allem vor den Hunden da draußen muss man sich hüten, schrieb Hajo in seinem Roman.

Ach, man braucht Komplizen!

 

 

 05.05.2001

Fritz der Jockey hat heute seine Mutter im Altenheim besucht: Fritz ist 72 Jahre alt! So etwas finden wir schön.

Vorne rechts am Fenster steht wieder Peter, 52 Jahre alt  (sieht aber aus wie 65), trinkt sein Bier und hört mit, was wir  vorne links am großen runden Tisch reden, und gibt ab und zu seinen Senf dazu, wozu ihn niemand aufgefordert hat. So etwas finden wir nicht schön.

1917 hatten die Franzosen  eine deutsche Kompanie vor Verdun unterminiert und dann mit einer gigantischen Dynamit – Ladung in die Luft gesprengt. Zu seinem Glück war Heinrich an der äußersten linken Seite als Posten eingeteilt, so dass er, mit einem Splitter im Kopf ,überlebte und so vor acht Jahren hier im Stehcafe als Stammgast auftauchen konnte. Heinrich, damals schon über neunzig Jahre als, kam fast täglich, trank seinen Kaffee, manchmal auch ein paar Schnäpse, und rauchte ein paar Zigaretten. Er war ein zarter, kleiner Mann mit einem Hörgerät. Er hörte aber alles, was er wollte. Er lachte oft und belustigte sich über die Gebrechlichkeit des „jungen Bengels“, Herrn Haase („nur“ 86 Jahre alt ...). Zu Heinrichs 99. Geburtstag haben wir ihm 99 Teelichter ins Fenster des Stehcafes gestellt und hier gefeiert. Heinrich hatte seine Frau schon zwanzig Jahre überlebt. Er lebte, besser: „hauste“ in einer recht schlichten Wohnung nicht weit von hier in Flingern, ohne Putzfrau oder sonstige Hilfe, ganz allein, nur manchmal besuchte ihn sein Sohn, ein pensionierter Studiendirektor, mittlerweile auch sporadischer Stammgast hier. Vor gut zwei Jahren erkältete Heinrich sich, hustete etwas gequält und meinte lachend: „Ich glaube, ich gehe jetzt kaputt!“, was wir  empört von uns wiesen mit der aufmunternden Bemerkung, schließlich sei er uns noch seinen hundertsten Geburtstag schuldig, den wir hier im Stehcafe feiern wollten. Drei Tage später fand sein Sohn ihn schwach auf dem Sofa liegend. Er starb dann bald, ohne Qualen.

Heinrich wurde 99 Jahre, 9 Monate und 9 Tage alt. Seine braun karierte Schlägermütze und sein silbern beschlagener Spazierstock hängen vorne links am Fenster wie Trophäen. Wir waren auf seiner Beerdigung.

Der Tod ist hier ein sporadischer Gast: Johnny muss nicht mehr zu diesen ewigen, quälenden Dialysen, Dieter hat wohl ausgehustet (oder, Thomas ... ?), der zitternde Rudi läuft nicht mehr ewig auf der Hoffeldstraße hin und her (was Bustra manchmal nervte), der schwitzende türkische Schneider trinkt nicht mehr ratlos seinen Kaffee ... und andere mehr.

Wir beruhigen uns mit Epikurs „Brief an Menoikeus“, sinngemäß: Der Tod ist das Ende der Empfindung, deshalb kann man ihn nicht an sich selbst empfinden. Da er das  Ende des Lebens ist, kann man seinen eigenen Tod nicht selbst erleben. Und vor allem: Der Weise wird es mit dem Leben wie mit der Speise halten, er wird wissen: Die Menge macht`s nicht!.

Als man (berichtet von Diogenes Laertius ?) einem alten stoischen Philosophen die Nachricht überbrachte, sein Sohn sei gestorben, verzog er keine Miene, sondern bewahrte seine stoische Ruhe. Als der Überbringer der Todesnachricht sich darüber befremdet zeigte, sagte der Stoiker nur ganz ruhig: „Ich wusste in der Tat, dass ich keinen Unsterblichen zum Sohne hatte.“

Was soll  man denn nun sein: Stoiker, Epikureer ... ? Die interessante Antwort von Friedrich dem Großen: In der Jugend Epikureer, im Alter Stoiker sein!

Unsere Antwort haben wir bei Georg Büchner („Dantons Tod“) gefunden, sie ist ein schreckliches Geheimnis, das wir deshalb nicht näher erläutern werden (wegen der unabsehbaren Konsequenzen!):

„Jeder tut, was ihm wohltut.“

 

 

07.05.2001

07.05.2001

 

Abends ist es relativ ruhig, weil der Haupt – Kampftrinker in Urlaub ist.

 

Gestern haben Bustra und Computer – Thomas sich schon zum dritten Mal diese geniale Ein – Mann – Inszenierung von Kafkas „Ein Bericht für eine Akademie“ per  Video angesehen und sich an den zentralen Stellen hochgezogen (sinngemäß zitiert):

 

„Ich sage bewusst nicht Freiheit, sondern ich habe nur einen Ausweg gesucht, mich in die Büsche geschlagen – denn die Freiheit war nicht zu wählen .... Ach, man lernt, man lernt sich rücksichtslos zu beaufsichtigen ...“ usw. usf.

 

Wir streiten uns schon länger über die Frage, ob tatsächlich die Freiheit nicht zu wählen ist und ob man wirklich „nur“ einen Ausweg suchen kann.

 

Bustra hat Schwarz – weiß – Fotos vom Stehcafe gemacht, die Dunja und Künstler – Thomas gerade begutachten. Vielleicht gibt es hier ja bald auch mal etwas zu sehen. Carlos, wir rechnen da auch auf deine Hilfe (Scanner usw.)!

 

Jemand hat gefragt, wer „wir“, die Schreiber sind. „Wir“ sind Bustra (36,  Pächter des Stehcafes), Hajo (52, Gymnasiallehrer) und Computer – Thomas (35,  verkauft Computer – Teile weltweit), und ein paar andere kommen sporadisch auch mal am Laptop vorbei und geben Anregungen.

 

Man kann dies alles ausdrucken, zusammenfalten, zerknittern, wegwerfen – und ruhig über den Strand gehen.

Das ist  Freiheit, oder ... ?

 

 

08.05.2001

 

Düsseldorf ist, vor Wochen schon, der ÜBERBLICK verloren gegangen. Schade, Uli, das wussten wir gestern noch nicht, als wir dich beim Italiener trafen. Also, unser Beileid! Nach der Lektüre unseres Tagebuchs hast du gemailt, wir sollten unsere Zeit (besser ?) nutzen. Wir fragen, was das heißen soll: „Zeit zu nutzen“ ...  Wer oder was und wo ist diese „Zeit“ – und was heißt da „nutzen“ ? Meinst du damit so etwas wie „carpe diem“ („nutze den Tag“) oder „wasting my time“, oder was? Und was ist das für eine seltsame „user“ – Mentalität? Also, lass von dir hören, am besten im Gästebuch, falls deine „Zeit – Nutzung“ das erlaubt. Und was deine Bemerkung betrifft, wir hätten die Lyrik nach 1970 nicht mehr wahrgenommen: sie war doch das, was  Durs Grünbein, Büchner – Preis – Träger 1995 (!),  bezeichnet als:

 

„VARIATION AUF KEIN THEMA

 

Fortfahren ... wohin? Seit auch dies

   Nur der fällige Ausdruck

Für Flucht war, für Weitermachen

   Gedankenvoll oder – los.

Was  aufs selbe hinausläuft, wie?“

 

Ansonsten, nach kurzem Wortwechsel mit Carlos und Künstler – Thomas, hier noch einmal das markige Wort von Peter Schneider: „Die Bourgeoisie ist kein Klub, aus dem man einfach austreten kann!“

 

Vorgänge der letzten Tage hier im Stehcafe veranlassen den folgenden Text:

 

KLEINE FABEL

 

„Ach“, sagte die Maus, „mein Freund kommt gar nicht mehr. Was er nur hat? Ob er krank ist? Oder braucht er vielleicht einfach nur Ruhe? Hat er Wichtigeres zu tun? Folgt er  nur einer spielerischen Laune ... ? Jedenfalls, wenn es ihm schlecht geht, wird er sich schon melden. Ich vertraue ihm und lasse ihn einfach in Ruhe“.

„Vielleicht bestraft er dich ja durch Freundschaftsentzug“, raunte die Katze, die hinter einem Busch auf der Lauer lag.

„Wofür denn ?“, fragte die Maus empört und änderte ihre Laufrichtung.

 

Wir machen weiter.

 

 

09.05.2001

 

Achtung, Witz von Künstler – Thomas zum Nachdenken:

 

Ein Pärchen sitzt  abends gelangweilt im Wohnzimmer. Er fragt sie : „ Wollen wir nicht was spielen?“ „Gut“, sagt sie, lass uns `heiraten `(versteht er akustisch) spielen.“ Er nickt, sie läuft in den Keller, kommt mit einem Hammer zurück und schlägt ihm damit auf den Schädel. Nach einer halben Stunde erwacht er aus seiner Ohnmacht. „Und ... ?“, fragt sie ihn. Er  antwortet mit brüchiger Stimme: „Hammerhai!.“

 

Hajo sah heute auf dem Bürgersteig vor dem Stehcafe in der  Mittagssonne den Paten und wagte nicht, ihn zu überholen. Merkwürdig war nur, dass der Pate seinen schwarzen Hut nicht aufgesetzt hatte. Hajo und Bustra sind entschieden der Meinung, dass Paten nicht ohne Hut in die Öffentlichkeit gehen sollten. Ist er vielleicht gar nicht der Pate von Flingern ... ?

 

Und noch`n Witz, abends, wieder von Künstler – Thomas:

Steht ein Manta – Fahrer mit seinem Manta vor der Uni ... (Ja, das war er schon, der Witz!).

 

Dunja, Frau von Künstler – Thomas, wird hier zum letzten Mal als „Anhängsel“ genannt : sie lacht laut und schön!

 

Nach dem Hören einer Ray Charles – CD sind wir zu dem Schluss gekommen, dass irgendwas in seinem Leben nicht so gut gelaufen ist.

 

Securitate – Sigi (deutschstämmig aus Rumänien) hat eine Runde am großen runden Tisch vorn links im Stehcafe gegeben: irgendwas muss gut gelaufen sein. Er ist Schneider an der Königsallee, hat sie alle benäht, vom Bundespräsidenten abwärts, ein paar feuchte Händedrücke bekommen ...

 

Wieder diese Fragen : Gibt es eine Seele? Und, wenn ja: Wo hat sie ihren Sitz im Körper? Ist sie materiell oder nicht materiell? Die Anschlussfrage: Wenn sie nicht materiell ist, ist sie dann unsterblich? Und wenn sie unsterblich wäre, dann müsste sie schon vor unserer Geburt gewesen sein (aber wo und wie war sie da?) und nach unserem Tod weiter existieren  (aber wo und wie?). Und vor allem: Gibt es nicht – religiöse Antworten auf diese Fragen (in der Philosophie z.B.)?

 

Trotz dieser Fragen bleiben wir „seelenruhig“.

 

 

10.05.2001

 

 

 

Mittags ging wieder der Pate vorbei mit einem grell orangefarbenen Hemd und zu unserer Erleichterung mit Hut! Bustra duckte sich ängstlich hinter Hajo, der mit dem Rücken zu den Schaufensterscheiben saß. Bustra meinte, der Pate habe direkt vor dem Eingang seine schleppenden Schritte ein wenig verzögert und grimmiger als gewöhnlich ins Stehcafe hineingeschaut – nicht auszudenken, wenn er demnächst hereinkommt – heute schien er kurz davor!

 

Verdammt heiß heute für die Jahreszeit: 27 Grad! Hajo kam verschwitzt von der Schule. Seine Tochter nennt ihn manchmal den  „Transpirator“.

 

Hajo und Computer - Thomas redeten abends über dessen „Mutti“: jeden Sonntag geht er zu ihr, liefert seine Wäsche ab, isst bei ihr, und: Mutti ist beim Essen immer die Letzte, die sich hinsetzt!

 

19.30 Uhr, letzte milde Abendsonne über Flingern. Dunja wollte heute eine Geschichte erzählen, aber sie ist nicht da – warum ... ?

 

Bleibt im Moment nur der Blick auf den Laden gegenüber: Kleidung für sie und ihn. Zweite Wahl. Nur altmodischer Schrott, Mode von vor zehn Jahren, deshalb auch Mini – Preise. Zum Glück steht die verblichene blonde Verkäuferin nicht davor, rauchend mit ihrem Mini – Köter auf dem Arm, den Hajo immer reflexartig austreten will wie eine Zigarette. Und dieses verdammte „Wickelstudio“ daneben, in das nie einer reingeht. Was soll das auch schon sein, ein „Wickelstudio“? Im Schaufenster eine bandagierte, eingewickelte Schaufensterpuppe. Wir überlegen schon länger, ob einer von uns da reingeht und sich wickeln lässt, so mit Penatencreme im Arsch, die Beine an den Knöcheln hochgehoben, und dann Pampers ... Wir können uns nur nicht einigen, wer geht.

 

19.45, Dunja ist endlich da und schreibt jetzt ihre Geschichte:

 

„20-.er Jahre.

Johanna, blutjung, schön, naiv- Tochter einer Fischereiflotten- Dynastie. Norddeutschland. Er- erfahren, ehrgeizig, natürlich ein Bild von einem Mann- Eduard. Sie heiraten – Sie aus Liebe – Er ???.

2 Kinder, ein Mädchen, ein Junge. Er liebt die Frauen, nicht nur Johanna. Der Krieg beginnt. Eduard macht auch weiterhin die besten Geschäfte, muß nie an die Front. Leidet weil er kein Held sein kann. Eduard schickt Johanna und die Kinder nach Bayern um sie vor den Bomben zu schützen. Johanna findet sich zurecht, macht Freunde, genießt das Leben auf dem Lande, Ski-fahren, reiten, Kindermädchen. Er kommt nur selten zu Besuch, spielt dann den großen Mann mit besten Kontakten zum Führer... Bei seinem letzten Besuch vor Kriegsende, wie immer sein stetiges Drängen, Sex. Sie ist verunsichert,spürt wie schon oft –andere Frauen,-träumt,- riecht sie. Er lässt nicht locker, spricht von Liebe. Sie lässt sich erweichen, nicht ohne Folgen...

Kriegsende nach einigen Wirren und Amerikanern, für Johanna inzwischen mit einem weiteren Kind- einer Tochter, die Möglichkeit nachhause zu reisen. Erst nur mit ihrer ältesten Tochter, sie kommt zu Hause, an ihrem Haus in Hamburg an,-voller Erwartung den Mann, das Heim wieder zu sehen. Sie steht vor ihrer eigenen Haustür, hat keinen Schlüssel- klingelt. Die Tür wird geöffnet, eine Frau ,- Johanna nicht unähnlich, ein Baby auf dem Arm, im Alter ihrer jüngsten Tochter, fragt: Wer sind Sie ? Johanna erstaunt: Ich bin die Frau des Hauses, die Frau von Eduard. Die Andere fassungslos: ich auch.

So hat meine Mutter nun einen Halbbruder, der nur einen Monat jünger ist als sie.“

 

 

11.05.2001

 

Wieder verdammt  heiß heute, nur nicht im Stehcafe, das gut temperiert auf der  Schattenseite liegt mit großem Ventilator an der Decke. Ein bisschen Casablanca, Edward Hoppers  „Nighthawks“ an der lachs- / pfirsichfarbenen Wand.

 

Carlos, der Einzige, der hier effizient an der Software arbeitet, schlägt sich jetzt nach Hause in die Büsche, für Computer - Thomas ein erneutes Beispiel dafür, dass „die Freiheit nicht zu wählen war“.

 

Günni spielt am Automaten – völlig betrunken. Dunja und Künstler – Thomas haben abends eine Freundin mitgebracht: Ulla aus Berlin (eigentlich Bochum). Jockey – Fritz hält durch und erzählt von seinen diversen Auslandsaufenthalten ( seine Jockey – Lehre hat er 1947 in Berlin/Hoppegarten beendet!).

 

Direkt neben dem Stehcafe richtet ein lustiger alter Grieche, der Jahrzehnte Kneipen und Restaurants, u.a. in der Düsseldorfer  Altstadt, betrieben hat, einen Fischladen ein. Bustra und Hajo haben ihn beim Kaffee über die Fisch – Konsum – Gewohnheiten hier im Vorort Flingern beraten und sind sicher, dass sein Laden gut gehen wird,  weil er auch die Zubereitung der Fische kennt. Er sagte mit leuchtenden Augen, er liebe Fische und könnte bei zwei Fischen, die tot auf dem Eis vor ihm lägen, sehen, welcher von beiden früher als der Andere gefangen worden sei.

 

Justiz – Heinz – Dieter ist heute wie immer zu seiner nordfranzösischen Freundin, einer Lehrerin, auf deren Bauernhof gefahren. Er treibt da ein undurchsichtiges Spiel mit einem deutschen Schäferhund, den er einerseits mit französischen Kommandos zu  domestizieren versucht und den er andererseits gegen seine „Herrin“ irgendwie durch eine gewisse „Bestialisierung“ aufhetzt – wir blicken da nicht durch.

 

Die „Bestialisierung der Kreaturen“ – kommt sie von außen oder von innen ... ?

 

Securitate – Sigi erzählt, dass Ceaucescu (richtig geschrieben?, jedenfalls erschossener ehemaliger rumänischer Diktator) eines Tages einen Bären schießen wollte und er, Securitate – Sigi, an einer Brücke einen Tag und eine Nacht mit einer Kalaschnikoff Wache stehen musste. Als seine Frau ihm Essen bringen wollte, wurde sie von der Securitate weggeschickt, und der Diktator kam gar nicht.

 

So hat Sigi einen Tag und eine Nacht in seinem Leben an einer Brücke Wache gestanden – vergeblich, ganz vergeblich.

Ein Tag und eine Nacht, die nie mehr wiederkommen.

 

 

12.05.2001

 

Wieder sehr warm (27 Grad), aber angenehm hier im Schatten unter dem großen Decken – Ventilator.

 

Gestern Abend waren wir alle knapp vor dem Limit, sind aber, kurz vor Mitternacht, alle noch mit Anstand nach Hause gekommen. Fast hätten wir Computer – Thomas und Carlos ihrem nächtlichen Schicksal überlassen , aber es kam anders: vor allem Carlos erwies sich als sehr vernünftig und abstinent (der arme „Glückliche“, stundenlang hat er an Wasser und Cola genuckelt!) und hat Hajo nach Hause gefahren. Vor allem Dunja hat preußische Disziplin bewiesen, nicht mal geschwankt! Ulla hatte eine kurze Krise, aber alles ging glatt.

 

Morgen fahren wir  mit Denys und Birol (Bustras Sohn, 12, und Neffe) nach Domburg (Zeeland) in die Sonne ans Meer, Thomas fährt, was Hajo schon heute die Schweißperlen auf die Stirne treibt (wegen Thomas` „zügiger“ Fahrweise, wobei Hajo zugibt, dass Computer – Thomas ein wirklich guter Fahrer ist). Im Übrigen vertrauen wir auf Thomas`VW GOLF 4, vor allem auf den Motor und die Klimaanlage. Wir hoffen, dass Hajo am Strand nicht wieder springt und dann diese peinliche Judorolle hinlegt!

 

Draußen auf dem Bürgersteig flanieren leicht bekleidete Frauen, die zeigen, was sie haben. Bei den Männern ist das weniger der „Phall“, wie Arno Schmidt geschrieben hätte.

Wittgenstein: „Die Welt ist alles, was der Fall ist. ... Worüber man nicht reden kann, darüber soll man schweigen.“

 

 

14.05.2001

 

Jockey – Fritz rühmte heute die Laufkundschaft von Bustras Stehcafe : „alle gehen laufen ...!“

 

Samstag Abend waren wir in der Düsseldorfer Altstadt in der Schneider – Wibbel – Gasse beim Spanier essen. Zwei Indios mit Gitarre und Flöte spielten auf der  Straße, wir (Bustra, Hajo, Thomas) haben vor allem frischen Spargel rheinischen Spargel gegessen („lecker!“, wie man hier sagt). Neben uns saßen zwei Witwen in Hajos Alter (so um die Fünfzig ... !), eine Dicke und eine Spitzmaus: nette Mädels, die eindeutig feststellten, dass Bustra Spanier sein muss. Gut, dann ist er eben ab jetzt nicht mehr Makedonier, sondern Spanier! Zum Glück kam Carlos, der „Glückliche“ mit seiner Frau Astrid, und Carlos hat alle drei am Ende Richtung Neuss abgeschleppt. Das Ende dieser Geschichte kennen wir nicht.

Carlos, du Glücklicher, erzähl mal, wie`s war ... ! Hajo jedenfalls ist dir sehr dankbar, dass du die Dicke mitgenommen hast.

 

Am Sonntag waren Bustra, Hajo, Computer – Thomas und die beiden Jungen (Denys und sein Cousin) in Domburg / Zeeland in der gleißenden Sonne am Strand. Das Glitzern der Sonne auf der Flut, das mühelose Segel der Möwen gegen den Wind, wir im Schatten der Sonnenschirme in den Liegestühlen. Zum Glück hat Computer – Thomas nicht wieder den Versuch unternommen, ins Meer zu rennen und nach England zu schwimmen. Das Wasser war auch zu kalt, die Strecke zu weit ... diese Freiheit war wieder mal nicht zu wählen.

Als wir den Frischfisch – Laden in Domburg erreichten, hatte dieser gerade geschlossen, und wir mussten wieder auf die handgemachten holländischen Pommes mit der gelblichen Majonnaise ausweichen – hat gut geschmeckt. Thomas hat uns zügig und sicher gefahren – über Hajos schwache Beifahrer – Nerven und die von Thomas erreichten Spitzengeschwindigkeiten reden wir besser nicht ...  Bustra hat am meisten Farbe bekommen – kein Wunder, schließlich ist er Spanier  ... !

 

Ludwig, Sohn von Dunja und Künstler – Thomas (12 Jahre alt), spielt Trompete, z.B. zu Sankt Martin.

 

 

15.5.2001

 

Immer wenn Bustra Korken (von Weinflaschen) sieht, denkt er ... daran, dass man den wertvollen, relativ raren Naturstoff Kork (gewonnen von Korkeichen) nicht einfach wegwerfen soll, sondern dass man Korken sammeln kann, die dann weiterverwertet werden (z.B. geschreddert, um Dämmplatten oder Pin – Wände herzustellen). Dafür gibt es auch noch etwas Geld, das man spenden kann (über die Schule, an der Hajo unterrichtet). Also : Korken sammeln!

 

Manchmal möchte man, dass etwas, was geschehen ist, nicht geschehen wäre (z.B. die Geschichte zwischen Computer – Thomas und B. ...). Es handelt sich dabei um den vergeblichen Versuch, Geschehenes ungeschehen zu machen, die Zeit aufzuheben.

 

Carlos sollte mit Frau und Tochter nach Düsseldorf zurück ziehen, dann wäre er noch glücklicher. Er wohnt irgendwo in der Umgebung in einem Kaff, wo wir nicht tot über’m Zaun hängen möchten. Also – her mit euch!

 

Hajo kämpft mit Anfällen von Antriebslosigkeit – wie Hermes Phettberg. Was macht Hermes Phettberg jetzt? Mitten im Müll, immer noch antriebslos, oder nackt irgendwo öffentlich angekettet, und keiner missbraucht ihn ... ?

 

Hermes, bitte melden!

 

 

16.05.2001 

 

Die Geschichte von Ellie aus Polen

 

Polen, im Jahre 1942

 

Ellies Mutter erzählte ihrer Tochter immer,sie sei hässlich, was sie im Endeffekt auch glaubte. Die Mutter hatte Angst, dass sich irgendein dahergelaufener Soldat an ihre Tochter ranmachte, deshalb erzählte sie ihrer Tochter die hässlichen Geschichten. Aber eines Tages, auf dem Weg zur Kirche, mit Tante und Mutter, belauschte die damals 19 jährige Ellie ein Gespräch zwischen ihrer Mutter und ihrer Tante. Die Tante sagte zur Mutter:,, Hör mal, deine Ellie ist ja wie aus dem Buch gemalt. So was Hübsches habe ich ja noch nie gesehen.`` Ellie bekam große Ohren. Ab diesem Gespräch kleidete sie sich immer sehr damenhaft und chic. Am liebsten zog sie Seidenstrümpfe mit einer Naht an. Hochhackige Pumps durften nicht fehlen.

 

Eines Tages lernten Ellie und ihre Freundin zwei deutsche Soldaten kennen. Einer der Soldaten, er hieß Mamsch, fand die blonde Freundin sehr reizend, aber in die dunkle, feurige Ellie hat er sich verliebt. Ellie erkannte die ganze Situation und hatte plötzlich große Angst. Kein Mensch durfte in dieser Zeit von ihrem Verhältnis zu einem deutschen Soldaten wissen.

 

Ellie wohnte mit ihrer Familie in einem Kasernendorf. Ihre Brüder waren bei der polnischen Einheit, einer war sogar General, und ihr Vater war ebenfalls ein hohes Tier bei der Armee.

 

Aber Ellie wollte ihre große Liebe natürlich sehen. Mamsch versprach ihr, wenn sie mit nach Deutschland käme, würde es ihr dort sehr gut gehen. ,, Ich besitze ein großes Haus, mitten in der Stadt. Meine Mutter ist eine liebe Frau, sie wird dich in ihr Herz schließen,`` sagte er zur Ellie.

 

Alles kam anders, als es geplant war. Ellie wurde von Mamsch schwanger. Die Lage wurde immer aussichtsloser für die beiden Verliebten. Mamsch kam in polnische Gefangenschaft, und Ellie wurde immer dicker. Aber von heute auf morgen wendete sich das Blatt. Ein Freund von Mamsch versprach  Ellie, dass er ihre Ausreise nach Deutschland unterstützen würde. Ellie überlegte nicht lange und packte ihre Sachen. Sie bekam eine Reisezugkarte auf direktem Weg nach Deutschland.

 

An der deutsch/polnischen Grenze kamen die Zollbeamten und kontrollierten das Abteil. Ellies Herz klopfte so laut, dass sie sich fürchtete, der Zollbeamte könnte es hören. Ihr fehlte nämlich irgendetwas an Papieren. Aber ein Mitreisender erläuterte dem Zollbeamten , dass es eine hochschwangere Frau sei, die gerade schliefe.

Der Zollbeamte gab sich mit der Erklärung zufrieden und verließ das Zugabteil.

In Deutschland angekommen, machte Ellie sich auf den Weg nach Eitorf (Westerwald) zu Mamschs Mutter. Als sie dort ankam, verschlug es ihr die Sprache. Die alte Hexe, im wahrsten Sinne des Wortes, wohnte auf dem Land in einem der kleinsten Käffer, die Ellie je gesehen hatte. Man muss bedenken, dass Ellie in Polen in einer Großstadt lebte und dass es ihr dort an nichts fehlte. Die kleine weiße Baracke, in der die alte Hexe lebte, war von Matsch und schmutzigen Ziegen umgeben. Ehe die feine polnische Dame sich versah, stand sie in ihren hochhackigen Pumps bis zu den Knien in Modermatsch.

Zwei Monate später entband Ellie eine kleine süße Tochter. Ein oder zwei Jahre später kehrte Mamsch aus der Gefangenschaft zurück. Ellie bekam dann noch 11 gesunde Kinder, aber die ersten 3 Kinder waren aus Liebe gewollt. Die nächsten 9 Kinder waren mit Gewalt gezeugt. Ellie empfand keine Liebe mehr für Mamsch. Er hatte sie belogen und auch betrogen.

Vor 30 Jahren starb Mamsch, und Ellie lebt nun seit 59 Jahren in Eitorf. Sie ist 80 Jahre und hat noch alle ihre eigenen Zähne.

Das ist die Geschichte der POLIN ELLIE: Geschrieben von Astrid, Frau von dem glücklichen Carlos, die zusammen glücklich in Norf wohnen..........          

 

 

21.05.2001

Der Computer war krank. Wenigstens hat das Carlos, der Glückliche, behauptet. Er hat ihn behandelt und auch "abgespeckt", wie er sich ausdrückte.

Rhinefire - Thomas sei gedankt für die Freikarten für das Football - Spiel gestern im Rheinstadion. Bustra und Denys waren da, sind aber schon nach einer halben Stunde gegangen: gute Show vorher, aber sie kannten leider die Spielregeln nicht ... Kann ja noch werden!

Dank auch an Fortuna - Thomas, der uns per e - mail befreit hat von unseren Sorgen um Hermes Phettberg. Über dessen frühere Antriebslosigkeit müssen wir uns also keine Gedanken mehr machen - im Gegenteil, wir sorgen uns jetzt über Hermes`Aktionismus: Hermes, ist das nicht zu viel für Dich, was Du da jetzt alles machst (im Internet abzurufen) ... ?!

"Geld stinkt nicht", meinte heute ganz unschuldig die nette Verkäuferin aus diesem elenden "Modeladen" gegenüber, hinter dem wir eigentlich einen Second - hand - Betrieb oder das Deutsche Rote Kreuz vermuten. Wir haben sie also aufgeklärt : Vespasian, römischer Kaiser Ende des ersten Jahrhunderts n.Chr., der eine Steuer für öffentliche Klos verordnete und auf kritische Anmerkungen eben dies antwortete: "Pecuniam non olet" ("Geld stinkt nicht") - bisschen Fäkalien - Bildung sollte doch sein, oder ...

Wir fragen uns, ob das Denken etwas ist, was man aktiv "tut", oder ob es etwas ist, das eher durch uns hindurchgeht, dessen passives "Medium" wir eher sind. So etwa, wie Günter Grass das beim Träumen thematisiert (im "Butt"?): Heißt es "Ich träumte...", oder "Mir träumte..."?

Zu unserer Frage gibt es einen merkwürdigen Anlass: Hajo ging auf dem Bürgersteig hinter einer Blinden, die mit einem weißen Stock über den Bürgersteig und gegen die Hauswände strich - und Hajo "dachte", eine Biersäufermelodie im Ohr: " ... immer an der Wand lang ...". Hajo versichert, dass er das auf keinen Fall denken wollte, und meint, dass er so etwas auch nicht denken sollte , aber er h a t es gedacht - warum ...?

 

 

 

22.5.2001

Gespräch über diverse Krankheiten, Austausch von Symptomen - wie morgens am Rentnertisch. Wir werden nicht alt, aber älter ...! Als Quintessenz die Lebensweisheit von Hajos Vater:

 An irgend etwas muss man schließlich sterben.

Jockey - Fritz erzählte von einer älteren Freundin, die an "Brustsausen" leidet: immer wenn sie ihren Büstenhalter öffnet, sausen ihr die Brüste runter, dem Gesetz der Schwerkraft folgend.

Schöner Tag heute, zwanzig Grad, Sonne, blauer Himmel, ein sanft kühles Windchen, und doch, Bustra meint zu Denys: "Die Uhr sagt: nein!"

Nun gut, man kann etwas wollen, oder nicht wollen . Man kann auch noch wollen, dass man etwas will, z.B. kann man nach vernünftiger Überlegung wollen, dass man eine Frau oder einen Mann will - aber was geschieht d a n n ... ? Dann stößt man an eine Grenze der Unverfügbarkeit des eigenen Ichs: es gehorcht willensmäßig nicht, der Wille ist der Vernunft nur sehr bedingt gehorsam (alles Weitere bei unserem Freund Schopenhauer, auch bei Freud).

Hartmut, ganz in Schwarz, der Mann mit dem Nietzsche - Bart und dem Seidenschal : seine drei blauen Müllsäcke in Hajos Keller ... Aber das ist eine andere Geschichte.

 

 

23.05.2001

Ich warte auf den Doktor (Hajo). Gewöhnlich ist der Doktor um 19.00 h hier. Heute jedoch nicht. Wo ist er? Jedenfalls nicht an der Kasse von PLUS. Zu Hause bei ihm läuft der AB... Eigentlich habe ich überhaupt keine Lust mehr, auf den Doktor zu warten. Wenn er was von mir will, kann er ja zu mir kommen. Wie die anderen auch. Also, ich gehe jetzt. Hätte ich nicht noch ein halbes Glas vor mir, wäre ich schon längst weg. Er kommt mir zuvor, also bleibe ich.

 

Sorry, Heinz Dieter, nach anstrengendem Unterricht (inklusive siebte Stunde in meiner siebten Klasse: Fontane, Grete Minde) und zweistündiger Lektüre der byzantinischen Geschichte habe ich (Hajo) einfach etwas verschlafen – war ja aber kurz nach 19 Uhr da! Danke für deine Hilfe!

 

Hartmut war auch Jurist und schnauzbartmäßig philosophisch interessiert. Irgendwie ist sein Leben dann zusammengebrochen, sein Mietshaus war weg, seine Frau, seine Tochter ... alles. Dann der Suff, Leben in billigen Absteigen, aber immer noch ein letztes Glitzern von Leben in seinen Augen, aufscheinende frühere Beredsamkeit – sogar Bustra ist schwach geworden und hat ihm vierzig Mark geliehen, Hajo viel mehr. Schwitzend kam er an einem heißen Sommertag zu Hajo und stellte bei diesem im Keller drei blaue Müllsäcke ab, seine letzte Habe. Das war vor drei Jahren, und die Müllsäcke stehen immer noch in Hajos Keller, und Hartmut ist verschollen, und wir denken manchmal darüber nach, in diese Müllsäcke zu schauen ...

 

Heinz Dieter dagegen ist ein ordentlicher Jurist, den wir mögen und der immer diese logisch durchdachten, sachkundigen Juristen – Ratschläge gibt, aber ... : morgen fährt er wieder nach Frankreich, zu dieser Schäferhund – Bestie – das gibt uns zu denken.

 

 

25.05.2001

 

Hajo rüttelte eine Stunde nach Schließung des Stehcafes an der Tür und „wollte da rein“ – wie damals unser Bundeskanzler ins Bundeskanzleramt. Irgendwie blöde, aber Bustra und Thomas, im Halbdunkel des hinteren Raumes sitzend, ließen ihn rein. Hat dreißig Grammatikarbeiten heute korrigiert, der arme Kerl, und bekam dann doch noch seinen Wein.

 

Bustra und Thomas waren inzwischen sentimental geworden und sprachen mit etwas glasigem Blick über „die Frauen“, und das heute, an Christi Himmelfahrt, am Vatertag.

 

Originalton Thomas: „ ...“ Etwas Verbindliches zum Aufschreiben wollte er dann doch nicht sagen! Schließlich will er demnächst heiraten, wie schon seit Jahren, er hat nur keine Idee, wen ...!

 

Schöner Tag heute, warm und blau, die Leute sitzen kurz vor 22 Uhr draußen vor den Restaurants und essen und trinken. Wir haben auch Hunger und gehen jetzt.

 

 

25.05.2001

 

Heute wurde uns klar, wie belastend das Erzählen von Geschichten für die normale Lebenserfahrung sein kann, z.B. Bustras Geschichte mit dem Spanier (s.o.): er sieht jetzt  jeden Menschen mit einer Zigarre  a n d e r s.

 

Wir sehen die Welt durch die Brille der Geschichten, die man uns erzählt hat, z.B. die Märchen  von Dornröschen und dem Prinzen, der sie wach küsst. Vielleicht ist es ein Fehler, dass wir als kleine Kinder all diese Geschichten erzählt bekommen, die unsere spätere Sicht auf das Leben so völlig unrealistisch prägen.

 

Gestern abend beim Griechen um die Ecke: gegrillter Dorade mit Salat: einfach nur gut.

 

Bustra heute beim Kaffee Ausschenken zu Hajo: „Welch großer Geist muss hier Kaffee ausschenken, doch: hier stehe ich, ich kann nicht anders!“

 

Nero und Luther, so über die Jahrtausende, einfach verbunden.

 

Bustra zieht wieder mit Marlborough in den Krieg: 1707.

 

Hajo im siebten Jahrhundert n. Chr. Mit den Abwehrkämpfen des byzantinischen Reichs gegen Slawen, Germanen, Berber, Perser beschäftigt – Computer - Thomas: ist zufrieden (und hat heute frei, wie Hajo, der aber Abiturarbeiten korrigiert).

 

Was ist aus Fortuna – Thomas geworden ... ?

 

Wir müssen jetzt aufhören, weil die gute alte Tante Marie zu Besuch gekommen ist.

 

 26.05.2001

 

 

Willst Du wirklich die Wahrheit wissen ?

 

 

 

Der Beste Moment

Manchmal reden wir uns selbst ein, dass das Leben besser sei,
...nachdem wir größer wären,
...nachdem wir einen Partner hätten
...nachdem wir verheiratet wären
...nachdem wir Kinder hätten ............
und dann fühlen wir uns frustriert, weil die Kinder noch nicht groß genug sind
und denken, dass wir glücklich sein würden, wenn sie größer wären.
Danach sind wir frustriert, weil sie in die Pubertät kommen und nicht leicht mit ihnen umzugehen ist.
Wahrhaftig wir wären glücklicher, wenn sie diese Phase überstanden hätten.

Wir sagen uns, dass unser Leben komplett wäre,
...wenn es unserem Partner besser ginge,
...wenn wir eine bessere Bezahlung hätten,
...wenn wir die Anerkennung erhielten, die uns zusteht,
...wenn wir ein besseres Auto oder ein schöneres Haus hätten,
...wenn wir in Urlaub fahren könnten,
...wenn wir in Rente wären.

Anscheinend gibt es immer ein Hindernis im Weg, welches zuerst ausgeräumt werden muss; irgendeine Angelegenheit, die zu regeln ist;  Zeit, die erst abgewartet werden muss oder eine Schuld, die beglichen werden will....aber dann fängt das glückliche Leben bestimmt an.

Irgendwann fiel mir auf, das diese Hindernisse mein Leben ausmachten.

Die Wahrheit ist, dass es keinen besseren Moment als diesen gibt, glücklich zu sein. 

CarlosSantos

 

 Ein sonnig – heißer Tag, einer von diesen Tagen, an denen die Fliegen an den korkenzieherartig – kackbraunen Fliegenfängern, die sich von den Decken der niedrigen westfälischen Bauernstuben kräuseln, einfach hängenbleiben, ab und zu noch einmal zappeln für einen Befreiungsversuch, so wie Dunja, die nachmittags gegen 15 einfach vorne links am großen Stehtisch „hängenblieb“. Oder war daran das Flingeraner Straßenfest um die Ecke schuld, das ihr immerhin eine Agfa Clack einbrachte und Bustra zwei Bücher von Alexander

Spoerl, die er Hajo für dessen Schularchiv schenkte.

 

Abends haben wir beim Griechen draußen auf dem Bürgersteig vor dem Lindenplätzchen gut gegessen, gelacht und getrunken.  

 

Dunja ist noch einmal vom Fliegenfänger losgekommen.

 

28.5.2001

 

Abends lastete die Fraglichkeit des Daseins so sehr auf Bustras Schultern, dass er beim Spülen seufzte: „Ach, welcher große Geist schenkt hier Kaffee aus ... aber: Hier stehe ich, ich kann nicht anders!“

 

Mit zwei Sätzen quer durch eineinhalb Jahrtausende: von Nero bis Luther.

 

29.5.2001

 

Nachmittags kam Hajo völlig mit den Nerven runter ins Stehcafe: Kurz zuvor war er nebenan bei PLUS beim Einkaufen auf den Paten gestoßen, der dann auch noch an der Kasse direkt hinter ihm stand. Als Hajo die Blicke des Paten im Rücken nicht mehr ertragen konnte und das Lebensmittel – Transportband der Kasse vor ihm nicht enden wollte, bot er dem Paten an vorzugehen, da dieser nur einen kleinen Beutel mit Zitronen hatte. Der Pate entblößte seine  schlechten Zähne zu einem kalten Lächeln und lehnte dankend ab. Hajos Rücken begann wegen seiner bohrenden Blicke schon zu schmerzen, aber dann war er endlich an der Reihe und konnte noch vor dem Paten aus dem Laden schlüpfen.

 

Wir fragen uns, was werden soll mit uns und dem Paten. Kennt er eigentlich seine Rolle im Spiel, das für uns bitter ernst ist ... oder „schlürft er nur sinnlos“ durch Flingern ...?

 

 

3 0.05.2001

 

Für unseren Juristen – Freund Heinz - Dieter („Die Justiz“ genannt) ein Witz aus der FERNSEHWOCHE:

 

Kommt ein Klient zum Anwalt und fragt: „Herr Anwalt, ich habe zwei Fragen. Wie viel kostet das?“ Antwortet der Anwalt: „Sechshundert Mark. Und welches war die zweite Frage?“

 

Fortuna – Thomas war hier, richtig piekfein, mit dunklem Anzug, Krawatte usw. „Geschäftstermin...“, brachte er zu seiner Entschuldigung vor. Er ist frustriert, weil Fortuna (Düsseldorf) so wenig Fortuna (lat. Glück) hat (diese Looser haben schon wieder verloren und stehen wieder auf einem Abstiegsplatz).

 

Markus war heute nach Monaten mal wieder im Stehcafe. Armer Kerl, war wahrscheinlich wieder in der Psychiatrie in Grafenberg . aber das ist eine andere Geschichte ... Wir freuen uns immer, wenn er wieder „draußen“ ist, wie Frauke, aber auch das ist eine andere Geschichte.

 

Wie Kierkegaard schon bemerkte:

 

„Das Selbst ist ein Verhältnis, das sich zu sich selbst verhält und dem es in diesem Verhältnis eben um dieses Verhältnis geht“ (sinngemäß).

 

Vulgo: Eines Tages kommt man mit sich selbst nicht mehr klar ... Man sieht sich eines Morgens im Badezimmerspiegel und fragt sich, wer „der da“ ist ... Man erkennt nicht mehr, dass man „der da“ selbst ist.

 

Was ist das „Selbst“?

 

 

31.05.2001

 

Fortuna – Thomas,

danke für deine gelehrte Abhandlung über „Fortuna“ im Gästebuch, aber: sollen wir dich jetzt etwa „Schicksals – Thomas“ nennen ...?! Im Übrigen liegt uns deine gequälte Frage von gestern Abend immer noch quer im Kopf : „Warum merkt man sich solche Namen wie `Jürgen Sparwasser`, der das 1 : 0 im letzten Spiel BRD – DDR schoss?“

 

Wenigstens haben wir endlich mal auch eine Antwort auf eine Frage. Den fraglichen Sachverhalt haben wir oben kurz umrissen : Einer landet mit besoffenem Kopf bei einer ebenfalls besoffenen Frau, die er mit klarem Kopf noch nicht einmal anschauen würde. Die Frau schickt ihn zum Kondome – Holen, und er hat auf dem Rückweg auch noch Zeit sich ein klein wenig zu besinnen und einfach abzuhauen, macht das aber nicht, vögelt mit der Frau und rennt dann Wochen und Monate mit einem äußerst peinlichen Gefühl rum.

Computer - Thomas hat auf die Frage folgende Antwort gefunden:

 

„Warum geht einer zurück? – Weil er ein anständiger Kerl ist!“ 

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