tagebuch-april-2001
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24.04.2001 

 Kaum haben wir die Sprache gefunden, schon sind wir sprachlos. Irgendwo in den Hinterhöfen von Düsseldorf - Flingern läuft irgendein Prozess gegen unseren Freund Computer - Thomas. Bustra, der Stehcafe - Besitzer, war gestern in einem dunklen Hinterzimmer im zweiten Stock eines Wohnhauses als Zeuge geladen. Der sogenannte "Gerichtsdiener" sagte ihm, Thomas täte ihm jetzt schon leid, und zeigte Bustra das schon unterschriebene Urteil aus einiger Entfernung: das Urteil ist also schon gefällt, man arbeitet jetzt an der Anklage. Der Richter hatte keine Fragen!

Morgen ist unser Freunde (Lehrer-) Hajo als Zeuge geladen.

Thomas macht sich noch wenig Sorgen.

Abends kam ein neuer Gast in Bustras Stehcafe, saß ruhig mit scheuem Blick in der Ecke, las, machte sich dann einige Notizen. Auf Bustras Frage stellte er sich als "Franz K." vor. Er hüstelte, nicht so heftig wie der Rundfunksprecher Dieter damals, den (Computer-) Thomas immer noch nicht gefunden hat ... aber das ist eine andere Geschichte.

Bogie, dieser gestylte Mode - Porsche - Fritze, hat Hajos Roman "Keiner trifft dich aus der Ferne" immer noch nicht abgeholt, obwohl er ihn hier (mit Widmung von Hajo) bestellt hat.

Bogie, wir geben dir noch genau eine Woche Zeit!

 

25.04.2001

Hajo war gegen 19 Uhr zur "Zeugenanhörung", fand aber in dem mysteriösen Hinterhofzimmer nur eine auf einer stinkenden Matratze zusammengekrümmte alte Frau vor, die immer wieder "Alles sinnlos, alles sinnlos..." vor sich hin stammelte und dann kicherte. Als Hajo sie  nach dem Gerichtsdiener und dem Richter fragte, krächzte sie nur "Alles Idioten!" und lachte schallend.

Um 20 Uhr standen wir ratlos im Stehcafe und tranken Wein (ein südafrikanischer Chardonnay  Stony Cape): Bustra fand den Vorgang eher ermutigend, Hajo war eher beunruhigt, Thomas behauptet immer noch blauäugig (er  hat blaue Augen!), er sei "unschuldig". Das hätte er nicht sagen dürfen! Wer ist denn schon "unschuldig"?

Wir erinnerten Thomas an die Sache mit Dieter damals. Wir wissen ja noch nicht einmal, ob er wirklich tot ist. Jedenfalls blieb Thomas eine klare Antwort schuldig. Und dann war ja da noch der Vorfall auf Thomas´ Balkon letzten Samstag und und ...

Nesir, der Albaner, muss morgen zurück in den Kosovo - keine Duldung mehr! Wir wünschten ihm viel Glück. Er wird uns nicht besonders fehlen.

Hermann wollte knobeln - wir nicht. Fritz konnte nicht (wegen nahendem Monatsende)

Später verlor Bustra im Schachspiel gegen Thomas - und das trotz aller strategischen Studien bei Montgomery und Marlborough, wie Thomas höhnisch bemerkte. Oder hat Bustra etwa Thomas nur aus strategischen Gründen gewinnen lassen ...?

 

26.4.2001

 

Computer-Thomas ist um 13 Uhr nach Stuttgart gefahren um, wie er behauptet, einen Kunden zu besuchen. Bustra und Hajo fragen sich besorgt, ob es nicht eher ein Fluchtversuch ist, wegen des Prozesses ... ? Wir werden sehen. Er will morgen Abend wieder zurück sein.

Später hagelte es fürchterlich, und Metro-Udo, der Große mit dem Zopf und der tiefen Stimme, rettete sich völlig durchnässt ins Stehcafe und spielte fluchend ausnahmsweise an den Automaten.

Bustra debattierte mit Hajo über die Frage, ob es nicht besser sei, wenig oder nichts zu wissen, dann sei man doch glücklicher...

Aber  weiß man dann auch, dass man "glücklicher" (als wer?)  ist... ? Außerdem gibt es keinen Weg zurück für den Wissenden, und, wie ein Philosoph bemerkte:

"Besser ein unglücklicher Mensch, als ein glückliches Schwein!" Oder ...?

Später kam der süße Dicke, der Thomas immer schöne Augen macht, was Thomas peinlich ist. Der Dicke hat drei Monate vergeblich versucht in Marokko zu heiraten und sich den Schädel kahl rasieren lassen. Wir fanden es sehr schade, dass Thomas schon "on the road" war ... !

Danke übrigens an Fortuna - Thomas und vor allem an den Wuschelkopf - Studenten Lutz, die diese homepage technisch auf Trab gebracht haben. Künstler- (Maler-) Thomas (ja, hier heißen leider viele Thomas!) will etwas für die Graphik tun, Bustra bringt morgen zwei Filme weg. Es gibt also bald auch was zu sehen.

Vorne links am großen runden Tisch wird abends "Vögelchen" ( Mariacron) getrunken. Herbert stellt fest, dass Hongkong - Gerd rote Ohren hat. Hermann erklärt, das sei wie bei den Elefanten, deren Wärmeregulierung über die Ohren läuft. Stimmt das? Schließlich hat "Krücke" schon einmal behauptet, menschliches Blut sei eigentlich farblos und erscheine erst beim Kontakt mit der Luft als rot.

Blanker Blödsinn! Fritz und Hans waren empört, Krücke behauptete aber stur, das "irgendwo" gelesen zu haben.

Wo ist "irgendwo"?

Und ist ist vielleicht so, dass in diesem unvorstellbar gigantischen Universum nur wir Menschen auf unserer Erde allein durch eben dieses Universum trudeln? Welche Einsamkeit...

Und hört und liest uns eigentlich keiner in diesem verdammten Internet? Sind wir die einzigen, die denken und schreiben? Hört uns irgendwer zu? Jedenfalls ist das Gästebuch immer noch leer...

Egal. Wir machen weiter, wie Rolf Dieter Brinckmann, wie das Wetter weitermacht, die Bauarbeiter vor dem Stehcafe machen weiter. Der Ventilator macht weiter. Bustra spült weiter. Die Politessen in der Hoffeldstraße machen weiter. Die Nachbarin gegenüber glotzt weiter aus dem Fenster. Die Boutiquenverkäuferin von gegenüber raucht weiter im Eingang. Hajo korrigiert weiter seine Klassenarbeiten. Macht Dieter noch weiter? Computer - Thomas fährt weiter auf der Autobahn nach Stuttgart. Das Stehcafe macht weiter - and we too.

27.4.2001

Ein lausiger, verregneter Tag. Computer - Thomas ist um 19 Uhr
immer noch nicht aus Stuttgart zurück... Dafür schaut abends Stasi-
Wolfgang mal wieder herein, raucht seine Pfeife und macht sich Notizen.
Er beobachtet still und präzise alles - für wen? Was macht dieser Typ
eigentlich sonst? Jetzt unterhält er sich jedenfalls mit (dem ehema-
ligen Jockey) Fritz, beide trinken Alt (Bier natürlich: für alle
Nicht - Düsseldorfer!). Rafael und seine junge Freundin sind auch da.
Sie hat uns gestern bei Rechtschreibfehlern erwischt, was uns ein we-
nig peinlich ist.

Bustra hatte im Laufe des Tages kaum eine Stunde, um den Duke of Marl-
borough 1703 zu begleiten, Hajo hat sein Buch über libertinäre Frauen
in Paris in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zuende gelesen.

Dieter ist Rundfunksprecher (gewesen?), sah aus wie der späte Hemingway
kurz vor seinem Selbstmord. Er hatte eine sonore Bass - Stimme und war
wegen einer frühen Kinderlähmung leicht gehbehindert. Wenn er kam, zit-
terten seine Hände. Nach dem dritten Bier war er dann ruhig. Wegen
eines häufig von ihm getragenen gestreiften Sweatshirts nannten wir
ihn (natürlich nur unter uns!) "Streifenhörnchen". Er schmunzelte
gern und mochte Harald Juhnke und Udo Jürgens nicht. Angehörige hatte
er wohl keine. Oft fuhr er abends die paarhundert Meter zu seinem Zim-
mer mit dem Taxi, weil ihn das Gehen schmerzte. Während der Unterhal-
tung wurde er manchmal von heftigen Hustenanfällen geschüttelt, wobei
er rot anlief.
Eines Mittags vor ca. zwei (?) Jahren kam er gegen Mittag ins Stehcafe
und Bustra sah sofort, dass er nicht mehr konnte. Er bestellte einen
Krankenwagen, und Dieter wurde in ein nahegelegenes Krankenhaus einge-
liefert. Später besuchten Bustra, Hajo und Thomas ihn dort mit einem
Wein, die er gerne trank. Er war sehr krank und schwach (Lungenkrebs
im letzten, unheilbaren Zustand) und lag abgemagert in einem weißen
OP - Hemd im Bett. Er wusste, dass nichts mehr zu machen war, wollte
auch keine Behandlung mehr.
Dann verlieren sich seine Spuren, und Bustra und Hajo baten Thomas,
nach Dieter zu suchen, was Thomas aber nicht machte (soviel zu seiner
Behauptung, er sei "unschuldig" ...).

Bustra lässt renovieren: er zieht über das Wochenende um in den zwei-
ten Stock über dem Stehcafe. Hajo muss korrigieren!


 

28.4.2001

It´s only rock`n  roll, but we like  it!

19 Uhr, wir haben die Lichter schon ziemlich an (some wine ...).

Nachmittags haben wir fast zwei Stunden mit dem „Großen Buch der Allgemeinbildung“ trainiert, z.B.: „Wen nannte man im Ersten Weltkrieg  „Roter Baron“ -  Manfred Freiherr von Richthofen natürlich! Zusammen wussten wir fast alles – aber nur fast, es gibt eben dämliche „Killerfragen, z.B.: „Wie oft war Deutschland Fußball – Weltmeister?“ Warum soll man sich so etwas merken ... ?

Einmal war hier eine Frau, B., blond, Mutter zweier Kinder, die jubelte zu „Satisfaction“, und einer von uns ging mit ihr, wurde sogar noch einmal zurückgeschickt, um in einer Kneipe Kondome zu holen, und er bereut es heute, dass er auf dem Rückweg zu ihrer Wohnung, wo er ja noch eine Bedenkzeit hatte (!), nicht einfach nach Hause gegangen ist. Sie sagte dann zu ihm: „Fick mich richtig durch“ . Er  nahm das Angebot an. Am nächsten Tag schwärmte er noch von ihren großen Brüsten, „die zwei Kinder genährt hatten“, heute will er nichts mehr davon wissen. Fakt, aber nicht schön, oder ...?

Thomas und Hajo waren nachmittags beim Griechen mit einem eifersüchtigen Ehemann konfrontiert. Sie stritten sich. Abends nach zwei Stunden gingen sie fröhlich eingehakt auf dem dem Stehcafe gegenüberliegenden Bürgersteig vorüber, als ob nichts gewesen wäre.

Wie Schopenhauer richtig  sagt: „Die Ehe ist ein Vertrag, der eine Verdoppelung der Pflichten und eine Halbierung der Rechte beinhaltet. Kein vernünftiges Individuum würde einen solchen Vertrag schließen, also bedient sich die Natur einer List: der  Liebe, um die Vernunft zu umnebeln.“

Und dann noch Kant: „Der Ehevertrag beinhaltet im Kern eine wechselseitige exklusive Nutzung der Geschlechtsorgane.“

„Tranquilo, senor!“ war der Auslöser einer Geschichte, die keiner von uns wollte...

30.04.2001

Carlos („der Glückliche“) hat unsere Computer – Technik als „Kinderprogramm“ bezeichnet. Das wird er bereuen. Wenn er so weiter macht, werden wir ihm unsere beiden immer schlecht  gelaunten Russen schicken, danach wird er nicht mehr „der Glückliche“ sein ...

In der warmen Mittagssonne schlenderte der Pate mit seinem schwarzen Hut und dem abgewetzten Mantel vorbei. Bustra und Hajo duckten sich hinter die Theke, um nicht herausstürmen und seinen Siegelring küssen zu müssen. Nur Sigi (der Schneider) blieb ruhig – kein Wunder nach zwanzig Jahren bei der Securitate in Rumänien und einem Vater bei der Waffen- SS – außerdem weiß er nicht, dass es „der Pate von Flingern“ ist. Vielleicht weiß es noch nicht einmal der Pate selbst.

Gestern diskutierten wir über das Problem der  „offenen Beziehung“ zwischen Männern und Frauen und kamen zu dem Ergebnis, dass es  sich dabei um „ein Spiel um die Spielregeln“ handelt.

Thomas ist der Meinung, dass John Lennon nicht die ganze Wahrheit gesagt hat. „Whatever gets you through the night, it`s all right” ist schon richtig, aber dazu gehört noch: “Whatever gets you through the day, it`s okay”!

Keine Zeit mehr: Freunde kommen, ab in die Düsseldorfer Altstadt, was essen draußen in der Schneider – Wibbel – Gasse beim Spanier, some wine …

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